Tauchen Sie ein in die kreative Vielfalt von Anita Schorno. Begegnen Sie der Schriftstellerin, Reimesammlerin, Geschichtenerfinderin und Erzählerin – erst ganz persönlich und hernach literarisch – mit ausgewählten Gedichten, Kurzgeschichten und Versen für Kinder, und für all jene, die das Kind in sich bewahrt haben.
Anita Schorno über sich persönlich
Bin ich eine Schriftstellerin? Eine Reime-Sammlerin? Eine Liederschreiberin?
Sagen wir es so: Noch immer fliegen mir Gedanken und Worte zu. Solche, die ungestüm sind, die aufs Papier drängen. Aber auch solche, die es abzuwägen gilt, die geformt sein wollen. Viele sind federleicht. Ich trage sie mit mir herum, staunend, freudig und trotzdem behutsam, nie ohne Respekt vor ihrer Bedeutung.
Mögen meine Ziele und Ambitionen auch kleiner geworden sein, es bleibt die Lust und Freude an der Sprache. Durch alle Schreibjahre hat sie mich begleitet. Sie unterstützte meine – nicht immer nur bequeme – Einstellung, beruflich und privat den Mantel nie nach dem Winde zu hängen. Denn:
«No immer gaad mi Wääg nume sälte grediuus.
Anita Schorno
Und no immer im Gepäck träägi Träum mit mier und s Lache.
Nur am Wunder gibi hüt myni Hand usinnig schüüch.»
Dass einige meiner Publikationen für Kinder in den vier Landesprachen erschienen sind, dass jedoch auch beispielsweise in Finnland, in Slowenien oder gar im sehr fernen Korea ein Bub oder ein Mädchen eines meiner Bücher in seiner Muttersprache lesen kann, ist mir eine grosse Freude.
Wenn ein Kritiker schreibt, Schornos Dichterstil sei schwierig einzuordnen, meine Texte seien poetisch und feinfühlig, allerdings auch kritisch und doppelbödig, stimme ich der Aussage zu. Genau wie jener, dass ich in meinen Mundarttexten auf Authentizität und grammatikalisch korrekte Schreibweise setzen würde – niemals aber auf Heimattümelei …
Behalten möchte ich meine Passion für die Literatur, die so viel zu bewirken vermag.
- Horizonterweiternd – doch eigenwillig.
- Innovativ – trotzdem bewahrend.
- Überraschend – und gleichwohl authentisch.
- So sollte sie sein.
- Wie ich mir die Schweiz wünsche? Genauso!
Textauswahl: Ein schwieriges Unterfangen

Soifiblaattere
Dyni Soifiblaattere im Wind,
wo gspilt hed mit em Liecht,
isch platzt – und du hesch glachet,
wie wenns dier gar nüd miecht.
Hesch nüüi gmacht, no gröösseri.
D Luft hed si all furt treid.
Die allergrööschti isch für dich,
hesch du de zuemer gseid.
S isch, as verzellti mier dys Gschänk
vo Träum, wo z schnell vergönd.
S wär guet, wenn ich de trotzdem
wie du so lache chönnt.
Anita Schorno
Wald
Dure Wald uus simmer gstrielet,
näbenand die lengschti Zyt.
Bäum hend wyssi Hämmli treid,
und ganz lysli hed es gschnyt.
Dure Wald uus simmer gstrielet,
wyt und ooni zrede schier.
Und es isch mer, grad durs Schwyge
syg ich eso nööch bi dier.
Anita Schorno
Augeblick
Augeblick
sälte und choschtbar wie alte Wy
Augeblick
wo de Gruch vo Summer dra hanged
Augeblick
zerbrächlich wie huuchdünns Gebäck
bewaar ich mier uuf
für die Tääg ooni dich.
Anita Schorno
Bi üüch
Me hocket zäme ume Tisch
Und gid sich so, wie mer halt isch
und füült sich guet und wie dehei.
Me muess nid geischtrych tue und gschyd,
und weiss genau, as es verlyd
wemmer emal luut uselacht.
Und weiss es au, giengtis eim schlächt
bi üüch, da hätti me das Rächt
nur sovill z säge, wie me möcht.
Drumm ischs eim wool. Und gaad mer hei,
so weiss me, mer isch nid elei
so lang, as Mänsche gid wie üüch!
Anita Schorno
Dilemma
Isch me hie, de wett me gaa.
Isch me wägg, de zieds eim hei.
Und me weiss nid, was me sell,
trottet ratloos uf de Stell,
und me füült sich seer elei.
Und me seent sich chummervoll,
as me irgend öppert hätt,
wo eim seiti: Wo au bisch,
a welem Ort, a welem Tisch,
hesch bi mier e Stei im Brätt …
Anita Schorno
Leid
Hätt so gääre welle trööschte.
Hätt so gääre öppis gseid.
Ha nur still und schüüch my Blueme
zu de andere Blueme gleid.
S hed mi möge, dich so zgsee.
Hilflos und so ganz elei.
Wienes Chind, wo eifach gaad,
bin ich de durhei.
Vo de vile gschyde Wörter,
nid eis einzigs hani gseid.
S isch, as hätti d Stimm verloore,
wo di gsee ha i dym Leid.
Anita Schorno
Kurzgeschichten, frei erfunden – und trotzdem dem Leben abgelauscht
Trinkgäld
Si isch e Fründlichi gsy. Privat. Im Gschäftsläbe. Au i de Ferie.
Fründlichsy choschtet nüd, hed si sich gseid. S isch eifach ihres Prinzip gsy.
Au s Dankesäge hed dezue ghöört. So hed si au hüür wider e ganz e reizendi Erfaarig döffe mache:
Si hed sich zwee Stund vomene nätte, junge Franzos dur es Schloss a de Loire la füere. Er hed sich Müe ggää.
Hedere i sym Schueldütsch alles erklärt. Und wo si ihm bim Adesäge lang und chreftig syni schmal Studäntehand gschüttlet hed, und er e chli komisch uf ihres Handtäschli gschilet hed, hed si sofort begriffe: Si hed ihm eis vo ihrne Pfäffermünzzältli aapote.
Won er druufabe de öppis Französischs vor sich anegmurmlet hed, hed si dänkt, s isch eifach e schöni Sprach und wirkli schaad, as mer si so schwäär verstaad.
Anita Schorno
Kamel
De Boge eidüütig überspannt hend die aber mit em Ässe.
Eidüütig.
Cus-Cus heds ggää und derigs Gschmäus.
Einisch isch es Fleisch uf em Täller gsy, wo ganz e komischi Gattig gmacht hed.
Hätt si Tischnachper nüd gseid, hätt ers villicht nidemal gmerkt.
Aber won er Kamel ghöört hed, isch fertig gsy.
Finito!
Schier glüpft heds ne.
Zerscht hed er am Källner wüescht gseid.
Dütsch und dütlich.
Aber de hed nur so arabisch glächlet.
De hed er grad d Reiseleiteri anezitiert.
Die hed ihm prompt welle uuftische, falls es wirkli Kamelfleisch sygi, syg das sogar es Zeiche für es bsunders guets Lokal.
Kamelfleisch wärdi de Turischte de nume sälte aapote.
Und de isch si no mit andere Sitte und so choo.
As d Moslem nid täägid Schwynigs ässe, wäg de Religion. Die würid sich devor gruuse, gnau wie er jetz ab em Kamel.
Er hed de mit dere nümme wyter diskutiert.
Bringt ja nüd mit einere, wo so blöd isch, und es Kamel mit ere gwöndliche Suu verglycht.
Anita Schorno
Liebi
Si hed es Buech gläse.
E schöni Liebesgschicht von ere Frau, wo mit emene Maa z Griecheland Wunderbars erläbt hed.
Wo si s Buech zueklappet hed, hed si gwüsst, wo ane si mit ihrem nüüe Fründ hed welle …
Ihri Gschicht z Griecheland isch de gar kei Liebesgschicht worde.
Fascht gar nüd isch so schön gsy, wie sis erwartet hed.
Wunderbar scho gar nid.
Wo si wider dihei gsy isch, hed si s Buech
welle id Entsorgig rüere.
Si heds de aber nomal weelydig durebletteret.
Und de hed si sich bi de Schryberi innerlich entschuldigt.
Wiso isch mer das nid vorhäär uufgfalle?, hed si sich gseid.
E Übersetzig usem Italienische!
Wie sett so öppis Liideschaftlichs mit emene Schwyzerchnüttel funktioniere …
Anita Schorno
Verse für Kinder, und für all jene, die das Kind in sich bewahrt haben
Summerkonzärt
Im grüene Wald isch hüt Konzärt.
S hed jede ghört devo.
De Has, de Fuchs und d Haselmus;
all zäme sind si cho.
Au de Hirsch, de alti Dachs
und vo de Wise d Chue.
Vom Purehof, da beinlet grad
de Kater no dezue.
Tsching und Tschang und Tschäderibumm
tönts schreg und ganz schön heiss.
Und d Wildsuu seid zu ihrem Maa:
«Ja, snächschti Jahr, da spil ich au
das Bumm und Tsching und Tschang.
So öppis fägt. So öppis bringts.
Ich warte nümme lang.»
Und wider isch im Wald Konzärt,
me hed lengscht ghört devo.
S Orcheschter leid sich voll is Züg.
S hed Zuewachs übercho.
Tsching und Tschang und Tschäderibumm
tönts schreg und ganz schön heiss.
Und d Wildsuu spilt genial Fagott.
Wie jetzt au jede weiss.
Anita Schorno
Donnerwätter
Donnerwätter sones Wätter,
sones Zipfelmützewätter.
Donnerwätter Bluttbuchwätter
wäri wirkli zäämal nätter!
Anita Schorno
Wenn ich e Häx wär
D Häxe, die chönd scho luut lache,
die chönd tolli Sache mache.
Sone Häx, die heds guet.
Weisch du, was die amigs tued?
D Häx, die zauberet simsala – bim.
Hokus – pokus sumsala – sim.
Mit em Stäckli id e Hand
wyt, wyt furt is Pfäfferland:
S Frü-is-Bettgaa, s Ornigmache,
s Müggsli-stillsy, s Nid luutlache.
Alles das, wo mich stört,
findt au d Häx syg unerhört.
Mit em Stäckli die Hand
schickt si drumm is Pfäfferland:
S Oorewäsche, s Aartigtue,
s Tanteküsse, d Mittagsrue.
Ja, e Häx die heds guet,
wil si eifach zaubere tued!
Anita Schorno
Kurzporträt Anita Schorno

Einige Werkempfehlungen

Anita Schorno: «Mängisch sind Wörter wie Flügel» Lyrik und Kürzestgeschichten
Anita Schorno: «Nikolaus kommt» warmherzige Nikolausgeschichte
Anita Schorno :«Krümelmonster», «Piraten in Sicht», «Spuribuck, das Schlossgespenst» und 9 weitere Titel. SJW Schweizerisches Jugendschriftenwerk
Hans ten Doornkaat (Hrsg.): Tschäderibumm. Mundartgedichte für Kinder von 45 Autorinnen und Autoren. Luzern 2022. Mit neun Beiträgen von Anita Schorno. Der Buchtitel des neuen Referenzwerks für Gedichte und Kinderverse stammt aus Anita Schornos Gedicht «Summerkonzärt», wo dieses «Tschäderibumm» eine grosse Rolle spielt.

Bildnachweis: Titelbild und Porträtbild Fiona Huber, 2025.
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