Die neue, multipolare Weltwirtschaft erweitert den Spielraum für mittelgrosse Teilnehmernationen, wie die Schweiz. Die «Dimension Schweiz» wird der Standard hinter dem Gerangel der Grossen, die sich in mancher Hinsicht einmauern und unbeweglich werden, und in vieler Hinsicht arm sind.
Zwischen diesen Polen wie Indien, China, Russland, sowie den USA, die sich teilweise aus der Welt abmelden, blühen, bewegen sich mittelgrosse «Kollegennationen» der Schweiz wie Holland, Südkorea, Brasilien, Mexico, Indonesien, Argentinien, Singapur, Chile. Zu ihnen schliessen neue, kleinere Wachstumspole auf, wie Vietnam, Bangladesh, die Philippinen.
Diese Mittelgrossen sind zwar völlig unterschiedlich ausgestattet mit Rohstoffen, Industrien, Bewohnerzahlen – und dennoch hatten sie in den letzten Jahren alle reihum gezeigt, dass sie spezifischen «Stich» haben:
- Holland redete mit seinen hochperformenden Chip-Firmen (ASML, Nexperia) in der internationalen Technik-Diplomatie mit, war nicht zu umgehen, um der Proliferation von High-Tech zu steuern und andersherum Chips für die weltweite Autoindustrie zu sichern.
- Südkorea navigiert geschickt und wirkungsvoll als reicher Muster-Solitär zwischen China, Nordkorea und den Machtspielen der Region.
- Brasilien, Mexico und weitere Lateinamerikaner setzten sich mit ihren Nahrungsmitteln und Nahrungsrohstoffen gegen die Zollpolitik der USA durch, weil deren Konsumenten selbst – als Wähler – sich auflehnten.
- Chile wird umworben dank seiner Lithiumlieferungen, den zweitwichtigsten der Welt.
- Indonesiens Inseln wirken als Sperrgürtel gegen Chinas navalen Expansionismus und das Land geniesst jetzt Zollsenkungen durch ein Handelsabkommen mit den USA und öffnet sich seinerseits internationalen Einfuhren.
- Argentinien gewann dank seiner liberalen Reformen und Marktöffnungen enorme Startkredite der USA und des Weltwährungsfonds für die neue Regierung Milei.
- Singapur hat als stabiler, rechtssicherer Finanz-Hub Asiens weiter gewonnen, seit Hongkong unter die Fittiche Chinas geriet.
- Australien schliesslich hat seine «seltenen Erden» in ein kraftvolles Verhandlungspaket mit den USA gewandelt.
Natürlich bilden diese jedes Mal spezifischen Vorteile, diese gut ausgenützten Karten auf Teilgebieten nicht das ganze Panorama. Aber die Nutzung spezifischer Vorteile kompensiert die nur mittelgrosse Dimension, verschafft Achtung.
Diese Mittelgrossen sind übrigens nicht in Blöcke eingetreten, sondern selbständig. Alle diese Länder, aber auch die Grossen, unterliegen Zwängen, die Grossen auch gegenüber den Mittelgrossen.
Im Klartext – kein einziges Land ist souverän in vollem Masse. Dieser Fakt muss auch jene Schweizer bremsen, welche die Souveränität des Landes mit dem Rahmenabkommen an die EU, an einen Machtblock abtreten wollen – weil es ja eh nicht voll souverän sei. Nicht ganz souverän zu sein, wie alle Länder, ist Normalität, aber die Gesetzgebung an eine andere Macht «dynamisch» abzutreten, das gab’s noch nie.
Helvetische Trümpfe erweitern den Spielraum
Jedoch was bleiben die spezifischen Trümpfe, oder Alleinstellungsmerkmale der mittelgrossen Schweiz? Die Tugenden dieser «Schweiz im Weltgang», nicht im Alleingang, sind die Entscheidungswege von unten nach oben – des Parlamentes ohne Koalitionen, das von Fall zu Fall entscheidet, es sind die Volksrechte, es ist der Föderalismus als Wettbewerb der Lösungen.
Daraus resultieren Stabilität und solide Finanzen, in starkem Gegensatz zum faktisch bankrotten Amerika und Europa, welche die Zinsen als neue Schulden aufnehmen.
Die Export-Palette der Wirtschaft bietet hohe Qualität in Pharma, Maschinen- und Apparateindustrie. Das duale Bildungssystem und erstklassige Universitäten sind deren Rückgrat, und all dies zieht die besten Köpfe aus aller Welt an, nicht aus europäischen Förderprojekten.
Damit hat die Schweiz wie Singapur die Attribute eines City-State, der mit seinen High-end Angeboten in einer reicher werdenden Welt der grossen wie der neuen, kleineren Pole richtig liegt. Die US-Zölle konnte die Schweiz mit grossen Industrie-Investitionen, dem Kapitalreichtum als ihrer spezifischen Karte, abstechen.
Herausfordernd wird es aber, durch diese neuen Rivalitäten der Grossen richtig hindurchzusteuern.
Der Stress für die Aussenwirtschaftspolitik wird grösser, die klassische Aussenpolitik tritt zurück, wie bei den Zollverhandlungen mit den USA. Die Schweiz wird nicht wie Deutschland und oft wie Brüssel, eine nebulöse «Wertegemeinschaft» anstelle von klaren Interessen hervorstreichen. Vielmehr sind Asien-, Islam- und Russlandkenner einzubeziehen.
Im Innern hat die Schweiz dringend Bürokratie, auch in den Kantonen, abzubauen, anstatt sich noch viel mehr Bürokratieregeln der EU-Richtlinien aufzubürden. Denn die neue Weltwirtschaft verlangt Geschmeidigkeit, nicht Regulierung.
In eine verfängliche Falle für Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit tappen die Schweizer Wähler bereits, indem sie Leistung vom Staat mit dem Stimmzettel verlangen: mit der 13. Rente, mit dem hoch subventionierten öV, mit «billigem Wohnraum für alle». Das ist der ruinöse Weg der Finanzen Westeuropas und er dispensiert von eigenen Leistungen.
Die Bürger wurden zu Parasiten, die nicht merken, dass sie selbst auch der «Wirt» sind, so sagt die Biologie, denn sie zahlen alle wieder mit Mehrwertsteuer und Lohnprozenten.
Frankenpolitik – die ganz grosse Reform steht an
Die ganz grosse Reform, die ansteht, liegt in der Frankenpolitik. Die Tiefzinsen der Nationalbank stiessen das Land in eine Bau- und Breitenkonjunktur, die längst schadet und unnötig viele Zuwanderer anzieht. Ausserdem stützte die SNB mit ihren Staatspapierkäufen den Schuldentaumel der USA und der EU-Staaten. Geld ist gratis geworden und finanzierte hohe Staatsausgaben, sorglose Bankbilanzen und einen Scheinreichtum, der sich in einer Immobilienkrise entladen kann. Mit dem so abgewehrten Frankendruck ist die Weltwirtschaft der grossen Blöcke mit der Schweiz auch verhängt, aber in einer Weise, welche die gewohnte Solidität bedroht.
Wird die Solidität aber gepflegt, öffnen sich die enormen Chancen dieses produktiven Landes in einer multipolaren, immer reicheren Welt für eigene Prosperität und Ansehen.
Lesehinweis
Beat Kappeler: Die Schweiz im Weltgang. Der Artikel erschien auf SICHTWEISENSCHWEIZ.CH.
Kurzporträt Beat Kappeler

Buchempfehlung

Mehr im Buch von Beat Kappeler: Wenn alles reisst – hält die Schweiz? Stämpfli Verlag 2023. 128 Seiten. Buch gebunden oder E-Book.
Bildnachweis: Titelbild Copilot, Porträtbild Stämpfli
Es wurde noch kein Kommentar veröffentlicht.