Die Junge Mitte: Marc Rüdisüli fragen, was die Schweiz erfolgreich macht

In der Serie «Fokus CH-X: Menschen fragen, was die Schweiz erfolgreich macht» stellt SICHTWEISENSCHWEIZ.CH dieselben drei Fragen zu den Erfolgsfaktoren der Schweiz stets anderen Menschen.

Welche Sichtweisen hat Marc Rüdisüli, Präsident der Jungen Mitte Schweiz von 2021 bis September 2025, zur Schweiz?


Frage 1: Welche Gründe haben in der Vergangenheit zum Erfolg der Schweiz geführt?

Die Schweiz verdankt ihren Erfolg einer einzigartigen Mischung aus politischer Stabilität, demokratischer Mitbestimmung und einer starken Wirtschaft. Die entscheidende Wende kam nach 1848: Mit der Bundesverfassung, neuen Verkehrswegen und einer liberalen Wirtschaftsordnung schuf die Schweiz die Grundlagen für eine beispiellose gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Die starke Vernetzung von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, das Bestreben nach Einbezug aller Bevölkerungsteile und der Ausbau der direkten Demokratie schufen Stabilität, Rechtssicherheit und Fortschritt. Neutralität und Friedenswille, die Fähigkeit zum Kompromiss und ein ausgeprägter Föderalismus wurden zu Markenzeichen des politischen Systems. So wuchs die Schweiz innerhalb weniger Jahrzehnte vom rückständigen Agrarstaat zur erfolgreichen Industrie- und Wissensnation heran, deren Erfolgsmodell bis heute wirkt.

Besonders prägend war und ist dabei die wirtschaftliche Innovationskraft: Über Jahrzehnte haben Schweizer Unternehmen und Forschende neue Ideen, Technologien und Produkte auf den Weltmarkt gebracht und das Land zu einem globalen Spitzenreiter in Wissenschaft, Forschung und Industrie gemacht.

Wesentlich ist auch das Prinzip der politischen Konkordanz: Das stetige Bemühen um Einbezug von Minderheiten und um möglichst breite, ausgleichende Lösungen verhindert, dass Einzelne oder Gruppen zu viel Macht erhalten. Niemand dominiert dauerhaft, Entscheide werden gemeinsam und moderierend gefällt. Die soziale Verantwortung – faire Arbeitsbedingungen, soziale Absicherung und Hilfsbereitschaft gegenüber Schwächeren – ist dabei ebenso prägend wie die politische Kultur.

Und ganz zentral: In der Schweiz bestimmt das Volk die Grundsätze selbst. Unsere direkte Demokratie ermöglicht, dass Bürgerinnen und Bürger auf allen Ebenen über Sachfragen abstimmen und Weichenstellungen mitbestimmen. Das fördert die Akzeptanz politischer Entscheide und den Zusammenhalt des Landes.


Frage 2: Warum ist die Schweiz heute erfolgreich?

Heute lebt die Schweiz von ihrer Fähigkeit, sich Veränderungen offen zu stellen, ohne dabei Bewährtes und wichtige Traditionen aus den Augen zu verlieren. Unser wirtschaftlicher Erfolg gründet auf international wettbewerbsfähigen Branchen wie Pharma, Technologie und Finanzdienstleistungen. Sie sichern hochwertige Arbeitsplätze sowie Wertschöpfung im ganzen Land. Möglich wird dies durch gezielte Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung sowie durch eine leistungsfähige Infrastruktur und dem Zugang an globalen Märkten. Nicht ohne Grund steht die Schweiz regelmässig an der Spitze internationaler Innovationsrankings.

Ein weiterer Grund ist der soziale Frieden: Die Sozialpartnerschaft wird in der Schweiz aktiv gelebt und schafft eine stetige, konstruktive Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen. Dadurch entstehen faire Arbeitsbedingungen, kontinuierliche Lohnentwicklungen und verlässlich ausgestaltete Sozialversicherungen. Das Vertrauen in den Sozialstaat und das duale Bildungssystem stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und eröffnet individuelle Chancen.

Nicht zuletzt sorgt die politische Stabilität für die nötige Verlässlichkeit: Niedrige Inflation, verlässliche Institutionen und eine stabile Regierung geben Planungssicherheit. Die direkte Demokratie verankert die Mitsprache der Bevölkerung und schafft Akzeptanz für politische Entscheidungen. Gerade die Kombination aus wirtschaftlicher Innovationskraft, sozialer Verantwortung und politischer Mitbestimmung macht die Schweiz heute besonders widerstandsfähig und erfolgreich.


Frage 3: Was braucht es, was stimmt Sie zuversichtlich, dass die Schweiz auch in Zukunft erfolgreich sein wird?

Mich stimmt zuversichtlich, dass die Schweiz stets offen war für Neues und gleichzeitig an ihren Grundwerten festgehalten hat. Nur wer Neues aufnimmt und mit der Zeit geht und gleichzeitig die Traditionen und die Grundwerte nicht vergisst, wird auch in Zukunft erfolgreich sein. Der Wille, pragmatische Wege zu gehen, aber auch Kompromisse zu schliessen, zeichnet unser Land aus. Allerdings sehe ich mit Sorge, dass die Polarisierung und Blockadehaltung im Parlament zunehmen. Gerade in jüngster Zeit wird es schwieriger, tragfähige Mehrheiten zu finden und Gräben zwischen den politischen Lagern zu überwinden. Dies zum Beispiel in den Bereichen Altersvorsorge, in der Energie- und Aussenpolitik oder bei den stark steigenden Gesundheitskosten. Das gefährdet die Fähigkeit zum Kompromiss und damit den Kern unseres politischen Systems.

Zudem dürfen wir nicht glauben, wir leben auf einer Insel der Glückseligen. Die globale Zunahme von Autokratien und die wachsenden Angriffe auf demokratische Grundwerte – auch gegen den Westen – betreffen uns direkt. Das zeigt: Auch für unsere Demokratie gibt es keine Garantien. Wir müssen sie aktiv schützen und dürfen nicht naiv sein. Die Schweiz ist genauso verletzlich wie andere Staaten auch. Umso wichtiger ist es, dass sich alle Generationen – gerade auch die Jungen – mit Überzeugung für unsere demokratischen Institutionen und freiheitliche Grundordnung einsetzen.

Zuversichtlich stimmen mich aber zahlreiche Stärken, auf denen die Schweiz aufbauen kann: eine breite und praxisnahe Bildung, innovative Unternehmen, starke Sozialpartnerschaft, eine robuste Infrastruktur, verlässliche Institutionen und unseren Föderalismus. Entscheidend wird sein, dass wir in die Menschen investieren, unsere politische Kultur pflegen und bereit sind, Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen. Bleiben wir also wachsam, offen und mutig – dann hat die Schweiz auch in Zukunft beste Chancen, erfolgreich zu bleiben.


SICHTWEISENSCHWEIZ.CH dankt Marc Rüdisüli für das Interview.


Kurzporträt Marc Rüdisüli
Marc Rüdisüli (27) ist Thurgauer Die-Mitte-Kantonsrat und Mitglied des Parteipräsidiums der Mitte Schweiz. Er studiert Politikwissenschaft und Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich und wohnt in Sirnach (TG). Marc Rüdisüli war vom Oktober 2021 bis September 2025 Präsident der Jungen Mitte Schweiz.

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