Das ist die ausserordentliche Geschichte eines experimentellen Artikels. Ko-Autoren sind Werner und Claude. Werner K. Rüegger ist Gründer und Projektadministrator der Plattform kompetenz60plus.ch. Claude ist die KI von Antrophic. Zusammen gelangen sie zu verblüffenden Einsichten und anregenden Erkenntnissen. Es beginnt Werner.
Im Austausch mit dem Herausgeber der Plattform SICHTWEISENSCHWEIZ.CH sprachen wir über die aktuelle 60plus-Generation in der Schweiz. Was passiert, wenn eine Generation mit enormer Erfahrung und Kaufkraft systematisch unterschätzt wird? Und was geschieht, wenn die 60plus-Generation bereits in einer anderen Arbeitsrealität lebt, aber die Gesellschaft denkt noch in alten Kategorien? Inwiefern nutzt diese Generation überhaupt ihr Potenzial aus, oder liegen Ressourcen brach?
Er wollte mich für einen Beitrag mit dem Titel «Schweiz 5.0», in Anlehnung an meine Blogs #423 – «Alte» in einer neuen Weltordnung (Sicherheitsordnung, Wirtschaftsordnung, digitale Ordnung) und #424 – Weis(s)e «Alte» Männer begeistern. Das fand ich schwierig, ohne politisch zu werden. Auf die Digitalisierung bezogen, müsste man eher über eine «Schweiz 2.0» schreiben.
In den Medien wird ohne zu hinterfragen kolportiert, dass Menschen im Alter von über 50 Jahren bereits Mühe hätten, bei Jobverlust eine neue Anstellung zu finden. Die Kriterien, welche zu solchen Aussagen führen sind wenig transparent und ich habe den Verdacht, dass viele Beiträge zum Thema Arbeiten im Alter wiederholt einander abgeschrieben werden.
Prompt 1
Um das Thema etwas breiter zu beleuchten entschied ich mich, ein Experiment zu wagen und meine Lieblings-KI «Claude» von Antrophic um eine Stellungnahme zu bitten. Für’s Erste verwendete ich obigen Text als «Prompt» und erhielt innert Sekunden folgende Einschätzung.
Claude
Ihre Überlegungen zur 60plus-Generation und der Darstellung in den Medien sind sehr berechtigt. Die Recherche zeigt tatsächlich ein differenzierteres Bild als oft dargestellt wird
Die Zahlen sprechen eine andere Sprache als das mediale Narrativ: Die Gruppe der Ü50er macht 30 Prozent der Erwerbsbevölkerung in der Schweiz aus.
Und die Schweiz hat mit 2,0-2,5% eine der tiefsten Arbeitslosenquoten der letzten 20 Jahre. Es ist auffällig, dass spezifische Arbeitslosenstatistiken für die 50plus-Generation schwer auffindbar sind – was Ihren Verdacht der mangelnden Transparenz bei den Kriterien stützt.
Ihr Ansatz für «Schweiz 5.0» könnte genau diese Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Realität aufgreifen. Statt politisch zu werden, könnten Sie die ungenutzten Potenziale faktisch beleuchten: Was passiert, wenn eine Generation mit enormer Erfahrung und Kaufkraft systematisch unterschätzt wird? Die Digitalisierung ist dabei nur ein Aspekt – interessanter wäre vielleicht der Blick auf Innovationskraft, Unternehmertum im späteren Lebensabschnitt oder die Rolle als Wissensträger.
Prompt 2
Wissen im Unterschied zu Erfahrung?
Claude
Das ist eine wichtige Unterscheidung, die oft übersehen wird und gerade für die 60plus-Generation zentral ist
Wissen ist explizit, dokumentierbar und übertragbar. Es lässt sich in Handbüchern festhalten, in Datenbanken speichern oder in Schulungen vermitteln. Wissen altert schnell – was vor zehn Jahren in der IT galt, ist heute oft obsolet.
Erfahrung hingegen ist implizit und kontextgebunden. Sie entsteht durch das Durchleben von Situationen, das Scheitern und Wiederaufstehen, das Spüren von Mustern und Zusammenhängen. Erfahrung umfasst das «Wie» und «Wann» – nicht nur das «Was». Sie beinhaltet emotionale Intelligenz, Intuition und die Fähigkeit, in unbekannten Situationen zu navigieren.
Für die 60plus-Generation bedeutet das: Ihr Wissen mag teilweise veraltet sein – ihre Erfahrung ist es nicht. Wer mehrere Wirtschaftskrisen durchlebt hat, bringt eine andere Gelassenheit und Urteilsfähigkeit mit als jemand, der nur Wachstum kannte. Wer verschiedene Technologiewandel miterlebt hat, versteht die Mechanismen des Wandels selbst – auch wenn er die neueste App nicht bedienen kann.
Das Problem der Unterschätzung: Unternehmen fokussieren oft auf aktuelles Wissen und übersehen die Erfahrung. Dabei ist es gerade die Kombination aus jugendlichem Wissen und gereifter Erfahrung, die zu den besten Lösungen führt. Die 60plus-Generation bringt Kontextualisierung, Risikoeinschätzung und langfristiges Denken mit – Fähigkeiten, die in unserer schnelllebigen Zeit besonders wertvoll sind.
Ihre «Schweiz 5.0» könnte eine Gesellschaft beschreiben, die lernt, Wissen und Erfahrung nicht gegeneinander auszuspielen, sondern synergetisch zu nutzen.
Der Begriff «Schweiz 5.0» könnte sich auf die fünfte Lebensphase beziehen – nach Kindheit, Ausbildung, Familienphase und Karriere kommt eine fünfte Phase, die gesellschaftlich noch nicht richtig erkannt oder gar bestimmt ist. Diese Generation ist fitter, gebildeter und aktiver als frühere Generationen in diesem Alter. Das wäre ein Ansatz, der über reine Arbeitsmarktbetrachtungen hinausgeht und das Potenzial einer ganzen Gesellschaftsschicht würdigt.
Prompt 3
Welche andere Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang?
Claude
Im Kontext der 60plus-Generation und ihres Potenzials ergeben sich mehrere fundamentale Fragen, die über das Arbeitsmarkt-Narrativ hinausgehen:
Gesellschaftsstrukturelle Fragen: Wie verändert sich die Schweiz, wenn die Babyboomer bis 2036 vollständig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind? Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn ihre erfahrensten Mitglieder systematisch marginalisiert werden? Und umgekehrt: Welche Innovationskraft geht verloren, wenn diese Generation nicht als Ressource erkannt wird?
Wirtschaftliche Dimensionen: Wer konsumiert eigentlich die Produkte und Dienstleistungen der Zukunft? Die 60plus-Generation verfügt über erhebliche Kaufkraft und andere Bedürfnisse als jüngere Generationen. Werden Unternehmen, die auf «junge Zielgruppen» setzen, nicht an einem grossen Teil des Marktes vorbeioperieren?
Wissenstransfer und Kontinuität: Wie gehen Unternehmen und Institutionen mit dem drohenden Erfahrungsverlust um? Bereits 2016 schieden erstmals mehr inländische Arbeitskräfte aus dem Arbeitsmarkt aus als nachrückten – ein Trend, der sich verstärkt. Welche Mechanismen gibt es, um jahrzehntelange Erfahrung zu bewahren?
Neue Lebensmodelle: Ist das traditionelle Drei-Phasen-Modell (Ausbildung-Beruf-Rente) noch zeitgemäss? Viele der heutigen 60plus-Generation sind gesünder und aktiver als frühere Generationen. Welche neuen Formen des gesellschaftlichen Beitrags entwickeln sie?
Intergenerationelle Gerechtigkeit: Wie können die verschiedenen Generationen voneinander lernen, statt sich gegenseitig zu blockieren? Welche Rolle spielt dabei die mediale Darstellung von Generationenkonflikten?
Diese Fragen zeigen: «Schweiz 5.0» könnte tatsächlich eine Gesellschaft beschreiben, die alle Generationen als gleichwertige Akteure sieht – nicht nur als Kostenfaktoren oder Nostalgiker.
Siehe dazu auch: Blog #420 «Sprache und das Denken der «Alten» auf kompetenz60plus.
«Ein 65-Jähriger, der ein Start-up berät, drei Tage pro Woche die Enkel betreut und ehrenamtlich im Gemeinderat sitzt, gilt statistisch als nicht erwerbstätig.»
Claude
Prompt 4
Muss der Stellenwert von Arbeit nicht neu gedacht werden?
Claude
Absolut – und das ist vielleicht der Kern Ihres «Schweiz 5.0»-Konzepts. Die 60plus-Generation lebt bereits in einer anderen Arbeitsrealität, aber die Gesellschaft denkt noch in alten Kategorien.
Das tradierte Arbeitsverständnis: Erstens Vollzeit, zweitens lebenslange Anstellung, drittens klare Trennung zwischen Arbeits- und Rentenphase, viertens persönliche Identität durch Beruf definiert, fünftens Wert durch Produktivität gemessen. Dieses Modell stammt aus der Industriegesellschaft 3.0 und passt nicht mehr zur heutigen Lebenswirklichkeit.
Was die 60plus-Generation bereits vorlebt: Erstens Projektarbeit statt Dauerstellen, zweitens Sinnorientierung statt nur Einkommensfokus, drittens flexible Übergänge zwischen verschiedenen Aktivitäten, viertens ehrenamtliches Engagement als gleichwertige Tätigkeit, fünftens Erfahrungs-/Wissensteilung ohne klassische Hierarchien.
Die gesellschaftliche Blindheit: Wir messen immer noch in «Erwerbsquoten» und «Arbeitslosenstatistiken», obwohl längst andere Formen des gesellschaftlichen Beitrags entstanden sind. Ein 65-Jähriger, der ein Start-up berät, drei Tage pro Woche die Enkel betreut und ehrenamtlich im Gemeinderat sitzt, gilt statistisch als «nicht erwerbstätig».
Die Chance für die Schweiz: Während andere Länder noch am alten Arbeitsmodell festhalten, könnte die Schweiz Vorreiterin für ein neues Verständnis werden. Nicht «Arbeit bis 65, dann Rente», sondern fliessende Übergänge, wertgeschätzte Vielfalt der Beiträge, Anerkennung verschiedener Formen von Produktivität.
Die 60plus-Generation zeigt bereits, wie es geht – die Gesellschaft muss nur lernen, es zu sehen und zu würdigen. «Schweiz 5.0» wäre dann eine Gesellschaft, die Wertschöpfung neu definiert – in der Alpenrepublik, zu der die 60plus-Generation als wertschöpfende «Altenrepublik» ihren nicht unwesentlichen und künftig wachsenden Anteil beiträgt.
Kurzporträt Werner K. Rüegger

Porträt kompetenz60plus.ch

Kurzporträt Claude

Bildnachweis IBM Quantum System Two: research.ibm.com Red Dot Design Award. Porträt Werner K. Rüegger im Sihlcity Zürich: Schweizerische Gewerbezeitung, Adrian Uhlmann
Es wurde noch kein Kommentar veröffentlicht.