Die kommerzielle Luftfahrt erweist sich als die vielleicht grösste Hypothek der Energie- und Klimawende. Lösungsansätze, um die Dominanz der fossilen Treibstoffe zu brechen, sind noch in jeder Hinsicht unzureichend.
Etwas südwestlich des Flughafengeländes Zürich, halb versteckt zwischen Waldstücken, stehen 25 Riesentanks auf einem unscheinbaren Industrieareal. In rund 18 dieser gedrungenen Stahlzylinder lagert Kerosin der Spezifikation «Jet-A1».
Die Anlagenbetreiberin TAR (Tankanlage Rümlang AG) setzt gewaltige Mengen dieses fossilen Treibstoffs um: rund 1,65 Milliarden Liter pro Jahr. Acht starke Pumpen fördern bis 32’000 Liter pro Minute durch zwei unterirdische, parallel geführte Pipelines zu den Betankungsanlagen auf dem Areal des Flughafens Zürich.
Dort starten und landen an einem geschäftigen Tag bis zu 750 Flugzeuge. Um deren Betriebsbereitschaft zu gewährleisten, fliessen rund 5 Millionen Liter «Jet-A1» in die Tanks der Passagiermaschinen.
4,7 Milliarden Fluggäste
Der Mensch fliegt gerne und oft – speziell die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz, nämlich 1,6 Mal pro Kopf und Jahr. Das ist doppelt bis dreimal so häufig wie die Menschen in den umliegenden Ländern Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich. «Die absolute Zahl der Flugpassagiere weltweit schätzen wir fürs laufende Jahr auf 4,7 Milliarden», sagt Andrew Matters, Ökonom bei der internationalen Luftverkehrsvereinigung IATA. Der globale Kerosinverbrauch liegt gemäss IATA bei 375 Milliarden Litern, nochmals deutlich mehr als 2019 vor der Covid-19-Pandemie.
Ganz offensichtlich können auch Klimaskrupel die Reiselust der Menschen nicht bremsen.
Denn es ist kein Geheimnis, dass die Luftfahrt als umweltschädlichster Verkehrssektor gilt, auch wenn sie nur zwei bis drei Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verursacht. Flugzeuge stossen aber nicht nur CO₂, sondern auch andere klimaschädigende Substanzen wie Stickoxide, Schwefeloxide und Russpartikel aus. Allein die harmlos wirkenden Kondensstreifen grosser Jets wirken sich verheerend aus. Der insgesamt durch die internationale Luftfahrt erzeugte Treibhauseffekt ist folglich dreimal höher einzustufen, als er durch das reine CO₂ erwartbar wäre.
Hoffnungsschimmer SAF
So weit, so ernüchternd – wenn sich da nicht ein Lichtstreif am Horizont, bestehend aus drei Buchstaben, abzeichnen würde: SAF. Die Abkürzung steht für «Sustainable Aviation Fuels» und bezeichnet nachhaltige Flugtreibstoffe, die fossiles Kerosin ersetzen. Entweder als Bio-Version auf Basis von Speiseölresten und Fetten. Oder als synthetisches Produkt aus CO₂, Methan, Wasser und Sonnenlicht. Klingt einfach, ist es aber nicht.
Das Dilemma Nr. 1 betrifft die Kosten: Synthetisches SAF ist zurzeit fünf bis sechs Mal teurer als fossiles «Jet-A1».
Das Dilemma Nr. 2 betrifft die Verfügbarkeit: Erst rund 0,1 Prozent des weltweit benötigten Treibstoffbedarfs der Branche können aktuell mit SAF abgedeckt werden. Und rasche Steigerungen der Produktion stehen noch in weiter Ferne. Keine einzige Airline deckt nach Angaben der Umweltorganisation «Atmosfair» mehr als 1 Prozent ihres Bedarfs mit SAF.
Verpflichtende Vorgaben für Airlines
Ungeachtet dieser erst zart spriessenden Entwicklung hat das EU-Parlament in vorauseilendem Weisungseifer bereits verpflichtende Vorgaben für Airlines beschlossen: Bis 2030 soll der CO₂-neutrale SAF-Anteil in Flugtreibstoffen auf 6 Prozent steigen, bis 2050 gar auf 70 Prozent.
Die scharfen Zielsetzungen aus Brüssel haben in der Luftfahrtindustrie bereits erhebliche Turbulenzen ausgelöst.
Angesichts der massiven Mehrkosten von SAF würden sich Passagierströme und Emissionen einfach in anderen Zonen des Planeten kumulieren, liess der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) verlauten. Die Einführung nachhaltiger Flugtreibstoffe müsse deshalb weltweit koordiniert ablaufen.
Am fossilen Treibstoffhahn drehen
Wie stark die Luftfahrtindustrie tatsächlich unter Druck steht, mag exemplarisch folgende Episode aufzeigen: «Fly more sustainably» – diesen Lufthansa-Werbespruch für nachhaltiges Fliegen hatte die britische Werbeaufsicht schon Ende 2023 untersagt. Die Anzeige erwecke «einen irreführenden Eindruck von der Umweltfreundlichkeit des Unternehmens». Lufthansa teilte mit, den Slogan nicht mehr für künftige Werbung zu nutzen.
Und wie sieht es für die Schweiz aus, deren Airlines Swiss und Edelweiss Air Teil der Lufthansa Group sind? Gemäss dem Corporate Responsibility Team der Swiss hat die deutsche Muttergesellschaft im Jahr 2024 insgesamt 13’000 Tonnen SAF eingesetzt. «Wir sind uns bewusst, dass noch viel zu tun ist und sowohl wir als auch unsere Kundinnen und Kunden eine Verantwortung tragen. Es ist eine riesige Skalierung der SAF-Produktion nötig.»
Batterien – kleine Schritte für Kurzstrecken
Neben dem nachhaltigen Ersatz für fossiles Kerosin gibt es zwei weitere Hoffnungsträger: batterieelektrische Antriebe und Wasserstoff. Beide Technologien stecken noch in den Kinderschuhen, zeigen aber vielversprechende Ansätze.
Aktuell sind batteriebetriebene Flugzeuge vor allem für kurze Distanzen und kleine Maschinen geeignet. Das Start-up Eviation testet beispielsweise seinen Prototyp «Alice», ein neunsitziges Elektroflugzeug mit bescheidenen 400 Kilometern Reichweite. Das Problem: Selbst moderne Lithium-Ionen-Batterien speichern bei gleichem Volumen nur einen Bruchteil der Energie von Kerosin. Für Langstrecken reicht es nicht, doch für Regionalverkehr oder Lufttaxis (Urban Air Mobility) könnten die E-Flieger ab 2030 marktreif sein.
Hindernis bleibt die fehlende Ladeinfrastruktur.
Wasserstoff: Ambitionen für Mittelstrecken
Auch an der Wasserstoff-Luftfahrt arbeitet weltweit eine Vielzahl von neuen Mitbewerbern. Wasserstoff gilt als erfolgversprechend – ob in Brennstoffzellen oder direkt verbrannt.
«Der Umgang mit dem leichtesten Element des Universums ist ohnehin komplex: Die Antriebsquelle ist kryogenes H2, also auf
Andreas Turner
–253 °C abgekühlter Flüssigwasserstoff mit hoher Energiedichte.»
Der britisch-amerikanische Flugzeugentwickler ZeroAvia testet bereits einen 19-sitzigen Regionalflieger, arbeitet parallel auch an Hybridlösungen. Ein Modell, das sowohl durch Batterien als auch Wasserstoff angetrieben wird, besitzt bereits die Freigabe der britischen Luftfahrtbehörde. Das Flugzeug leistet 600 Kilowatt und kann zwischen neun und neunzehn Passagiere befördern. Airbus arbeitet an ähnlichen Konzepten, wie zum Beispiel «ZEROe» (ursprünglich geplant ab 2035, später auf noch unbestimmte Zeit verschoben). Der Umgang mit flüssigem Wasserstoff ist ohnehin komplex: Die Antriebsquelle ist kryogenes H₂, also auf –253 °C abgekühlter Flüssigwasserstoff mit hoher Energiedichte. Doch die Infrastruktur für grünen Wasserstoff fehlt fast weltweit. Zudem ist die Technik noch teuer.
Nächster Flug mit der Bahn?
Es sieht folglich alles danach aus, dass noch sehr viele Milliarden Liter «Jet-A1» durch die Betankungsanlagen am Flughafen Zürich strömen werden. Den fossilen Treibstoffhahn ein ganz klein wenig zudrehen können wir – Sie und ich – aber mit dem Einsatz unserer natürlichen Intelligenz: Den nächsten Kurz- oder Mittelstreckenflug absolvieren wir ganz einfach mit der Bahn! Wetten, dass wir dabei weder Zeit noch Komfort einbüssen?
Kurzporträt Andreas Turner

Dieser für SICHTWEISENSCHWEIZ.CH aktualisierte Bericht erschien zuerst im Magazin «smart».
Bildnachweis: SAF Plane 6 generiert mit KI
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