Wie liberale Rebellen die Bürokratieschweiz entschlacken – oder auch nicht

Das ist der entscheidende Punkt: Arbeit für den bürokratisch-administrativen Komplex ist unproduktiv. Menschen in bürokratischen Funktionen verwenden ihr Wissen und ihre Zeit für den administrativen Speckgürtel und werden dafür teils teuer bezahlt. Ein Beispiel: Berichte schreiben. Dabei kommt nichts heraus, was für Unternehmen am Markt verkaufbar wäre und den Umsatz steigern würde.

Andreas Moring, Professor für Wirtschaft an der International School of Management ISM in Hamburg, bringt den Vorteil geringer Bürokratie in einen erhellenden Zusammenhang: «Je weniger Bürokratie, desto besser also für die Wirtschaft, für die Steuern und Abgaben in den Staatskassen, für die Sozialsysteme und damit für uns alle.»


«Kettensäge» ansetzen

Im einst reichen Argentinien setzt das Volk auf einen rechtslibertären Präsidenten, der mit der «Kettensägemethode» ein Experiment mit ersten Erfolgen und offenem Ausgang wagt. Der Ökonom und heutige Präsident Javier Milei setzt an zu einer disruptiven Reformpolitik, um – es klingt nicht nur, es ist drastisch – den eigenen Staat zu zersägen. Milei hat die Staatsausgaben real um bis zu 35% gekürzt, die Anzahl der Ministerien von 18 auf 9 verringert, die Hyperinflation ist gesunken, die Unternehmen sprechen von mehr Aufträgen. Um die radikale Reform sozialverträglich abzustützen, hat Milei etwa staatliche Ausgaben für Bildungsgutscheine erhöht. Neu geschaffen hat er ein Ministerium für Deregulierung. US-Präsident Donald Trump hat Mileis Methode «à l’américaine» importiert – soweit bekannt zollfrei – und mit Elon Musk das «Department of Government Efficiency» (DOGE) installiert, zumindest vorübergehend.


Mehr Milei für die Schweiz?

Dass in der Schweiz «mehr Milei und Musk» gefordert wird, bezeichnet der Zuger Mitte-Nationalrat Gerhard Pfister in der «Republik» als «absurd», ja «falsch und gefährlich», denn libertäre Rebellen bedienen «das Narrativ des starken Mannes, des Machers, der vorbei an allen Institutionen, Parlaments- und Volksentscheiden, und falls nötig auch vorbei an bestehenden Gesetzen, mit der Kettensäge reinfahren darf. Und wo gesägt wird, fallen Späne. Dass man erst nachher sieht, welche das sind, nimmt man in Kauf. Das ist zutiefst antidemokratisch und antiinstitutionell.»


Die Liberalen – Rebellen gegen die Bürokratieschweiz?

In der Schweiz verhindern Errungenschaften wie die direkte Demokratie, der Föderalismus oder die Schuldenbremse einen alleinseligmachenden Etatismus. Leviathan – Thomas Hobbes’ Inbegriff für den allmächtigen Staat – wurde hierzulande jedenfalls bislang nicht eingebürgert.

Alles andere als verfehlt ist die Forderung nach einem schlankeren Staat, zumal eine ausufernde Staatsgläubkeit um sich greift.

Die Staatsausgaben in der Schweiz wachsen in gewissen Bereichen stärker als die Wirtschaftskraft. So ist Verwaltung der Stadt Zürich seit 2011 um 21 Prozent gewachsen – bei einem vergleichsweise geringeren Bevölkerungswachstum von 14 Prozent.

Für Bürgerinnen und Bürger, die ein freiheitliches Staatsverständnis pflegen, läuft der Trend in die falsche Richtung. In der NZZ fordert Katharina Fontana eine Abkehr von der Staatsgläubigkeit und eine Rückkehr zum Liberalismus. Fundiert mit guten Argumenten zur Entschlackung des Staates:

  • «Zwei Drittel aller Ausgaben sind mittlerweile rechtlich gebunden, Tendenz steigend.»
  • «Die Mehrwertsteuer wird laufend erhöht, was nichts anderes als eine Enteignung der Bürger ist.»
  • «Die kleinen und mittleren Unternehmen tun sich schwer mit Vorschriften und Kontrollen und brauchen zunehmend Berater und Juristen, um mit der Regulierung fertigzuwerden.»
  • «Fast jeder vierte Erwerbstätige arbeitet heute im öffentlichen Bereich.»
  • «Universitätsabsolventen suchen ihr Glück häufig nicht mehr in der Privatwirtschaft, sondern wollen in den öffentlichen Dienst.
  • «Und wer setzt sich schon kritisch mit dem Staat auseinander, wenn er von ihm lebt, und das durchaus vorteilhaft?»


Für Katharina Fontana seien Liberale derzeit nicht nur «internationale Trendsetter», sie wartet sehnlichst auf Politiker, «die nicht sofort den Kopf einziehen, wenn die Gegenseite mit Moralkeulen wie «sozialer Gerechtigkeit» und «Chancengleichheit für alle» zuschlägt. Es geht darum, die freiheitliche Weltanschauung zu verbreiten, an den Schulen, den Universitäten, im Kulturbereich, in den Medien. Es geht darum, die linke Hegemonie zu brechen. Die Liberalen sind die neuen Rebellen.»

Meint Katharina Fontana die Rebellen der salonfähigen Parolen oder die Rebellen der verbindlichen Worte und mutigen Taten, die den Staat umgehend um zehn bis zwanzig Prozent verschlanken – nota bene sowohl bei den Einnahmen mit Steuersenkungen als auch bei den Ausgaben, in dem der Staat weniger konsumiert.


Die Rebellen-Probe mit Fairplay

Der Weckruf der NZZ ist deutlich hörbar: Freisinn, zurück zum liberal-radikalen Kerngeschäft, die weniger Staat, mehr Freiheit einfordert. Die Botschaft höre ich, allein mir fehlt so ein bisschen der Glaube. Denn wer in politischen und staatlichen Chargen das Etikett FDP trägt, arbeitet oft selbst in der staatlichen Verwaltung oder in staatsnahen Firmen und Institutionen.

Machen Sie die Probe aufs Exempel der kommunalen oder kantonalen Milizpolitik: Achten Sie mal auf die Arbeitgeber und Berufsbezeichnungen der FDP-Politikerinnen und FDP-Politiker in kantonalen und kommunalen Gremien. Nicht selten stehen die FDP-Mandatsträgerinnen und -träger selbst im öffentlichen Dienst, was die NZZ folgerichtig zur Frage führt: «Und wer setzt sich schon kritisch mit dem Staat auseinander, wenn er von ihm lebt, und das durchaus vorteilhaft?» Ein Schelm, wer bei dabei an einen Trend oder gar an Rebellen denkt. Dabei sei Fairplay stets angezeigt: Öffentlicher Dienst in obrigkeitlichen und staatstragenden Funktionen ist unabdingbar, damit das Gemeinwesen funktioniert.


Literaturhinweise

Katharina Fontana: Der Schweizer Staat muss schlanker werden. NZZ 9. Dezember 2024.
Gerhard Pfister: Wir brauchen nicht «mehr Milei». Republik 31. Dezember 2024.
Livia Hollenstein und Lukas Rühli: Schweizer Städte im Vergleich – Verwaltungswachstum ohne Grenzen? Avenir Suisse 5. Februar 2025.

Hauptbildnachweis: Foto von Markus Spiske auf Unsplash

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