Der Historiker Benedikt Meyer beleuchtet die Ursprünge des Fahrradfahrens, seine Blütezeit zur Jahrhundertwende, seine Alltäglichkeit in der Zwischenkriegszeit, sein Verschwinden im Rahmen der Motorisierung und seine unerwartete Renaissance seit 1970.
Sein Buch «vorwärts rückwärts» ist eine spannende Entdeckungsreise in wirtschaftlicher, sozialer und umweltbezogener Hinsicht. Die Geschichte des Fahrradfahrens in der Schweiz ist gewiss für alle «Gümmeler» und darüber hinaus für alle Velofahrerinnen und -fahrer ein Muss – und ein Geschenk.
Und wo startet die «historische Velotour» mit Benedikt Meyer? In … China. Mit einem Amerikaner.
Made in China: Die USA ein Fahrradland?
1975 macht der oberste US-Diplomat in China eine erstaunliche Aussage: «Je mehr ich über die Transportprobleme in unserem Land nachdenke», erklärte George Herbert Bush, «desto mehr erkenne ich eine wichtige Rolle für das Fahrrad im amerikanischen Leben. (…) Nachdem ich in China selbst viel Fahrrad gefahren bin, bin ich überzeugt, dass es sich dabei um ein Verkehrsmittel handelt, das zugleich praktisch, ökonomisch, sauber und äusserst sinnvoll ist.» Das Fahrrad als Vision für Amerika? Ein Gefährt von gestern für die Zukunft? Low-Tech für die High-Tech-Nation? Das kommunistische China als Modell für die Supermacht des Westens?
Dass Fortschritt stets eine Frage des Standpunkts ist, illustrieren gemäss Buchautor Benedikt Meyer die Debatten ums Fahrrad auch hierzulande ideal:
- Mal schien das Fahrrad veraltet, dann zukunftsweisend.
- Mal etwas für Ewiggestrige, dann für die Avantgarde.
- Mal als Zeichen des Fortschritts, mal als Rückschritt.
- Mal galt es als progressiv, mal als nostalgisch.
- Und nicht selten war es alles zusammen.
Querelen ums Fahrrad gab und gibt es immer wieder, wenn auch unter wechselnden – wirtschaftlichen, sozialen, umweltbezogenen, technischen – Vorzeichen. Daraus zieht Benedikt Meyer die redliche – oder hier wohl eher zweirädliche – Quintessenz: «Im Auf und Ab seiner Geschichte spiegeln sich Utopien, Ideale und simple Notwendigkeiten.»
Velobestände in der Schweiz – rauf, runter und wieder rauf
Zur Klarstellung: In der gesellschaftlichen wachstumsorientierten Mobilitätsentwicklung ist die Fahrradgeschichte nur ein Seismograph, allerdings ein erhellender und erkenntnisreicher in verschiedener Hinsicht.
Wer in der Schweiz mit dem Velo unterwegs ist, kennt das Rauf und Runter und wieder Rauf. Das gilt auch für die statistische Entwicklung der Velobestände in der Schweiz.
Jahr | Velobestand in der Schweiz pro 1000 Einwohner und Einwohnerinnen | Velostatistische Bewegung |
1910 | 120 Fahrräder | Anstieg |
1952 | 386 Fahrräder | Vorläufiger Peak |
1971 | 206 Fahrräder | Abstieg |
1996 | 522 Fahrräder | Anstieg |
2025 | 733 Fahrräder | Anstieg |
Gemäss Velosuisse liegt der aktuelle Velobestand in der Schweiz bei rund 5,2 Millionen, derjenige der E-Bikes bei 1,4 Millionen, per 2025 zusammengerechnet also rund 6.6 Millionen Velos auf rund 9 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner, also 733 Velos pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Stastiken illustrieren den Anstieg, Rückgang und Wiederanstieg der Velos pro Kopf der Bevölkerung. Und sie verschweigen, «wie die Räder genutzt werden, von wem, wozu oder welchen gesellschaftlichen Status das Rad innehatte.»
Die Fahrradgeschichte 1816-1910 beginnt mit einem Knall
Die Geschichte, so Benedikt Meyer, beginnt mit einem Knall. Im April 1815 brach auf der indonesischen Insel Sumbawa der Tambora-Vulkan aus. Die Auswirkungen waren bis nach Europa spürbar:
- 1816 fiel der Sommer aus. Chronisten sprachen von einem «Schneesommerjahr».
- Missernten, Hungersnöte, Unruhen folgten.
- Vielerorts verendete das Vieh.
- Namentlich Pferde konnten nicht mehr ernährt werden.
- Der Haferpreis stieg massiv an.
- In der Schweiz wurde der Notstand ausgerufen.
Diese einschneidende Wirtschafts-, Umwelt und Gesellschaftskrise veranlasste 1817 den deutschen Karl Freiherr von Drais, ein Forstaufseher und Tüftler, zur Entwicklung einer zweirädigen Laufmaschine, angetrieben mit Menschen- statt mit Pferdekraft. Die gesellschaftliche Wirkung seiner bekannten Draisine war begrenzt.
Als «Dandy-Horse» blieb die Draisine ein spleeniges Spielzeug für exzentrische Adlige. Es dauerte nochmals fast fünfzig Jahre, bis aus dem Laufrad ein Fahrrad wurde.
Erst 1861 wurden der Maschine in der Werkstatt des Pariser Schmieds Pierre Michaux an der Vorderradnabe befestigte Pedale eingefügt. Michaud konnte die Nachfrage für das Fahrrad kaum decken.
In Paris, der «Capitale du 19ème Siècle» frönten Adel, Geldadel und Intelligenzija als Vorreiter dem kapriziösen Fahrradsport.
Das Fahrradgewerbe mutierte vom Tüftlermetier zur Leitindustrie. Fortschritte in der Fahrradtechnik und -nutzung standen im Wechselspiel: «Zwischen 1820 und 1890 gewann das Rad beeindruckende 0.5m/s je Dekade an Geschwindigkeit, verlor an Gewicht und steigerte die Effizienz der Kraftübertragung.»
Um 1890 war das Fahrrad soweit, dass es Zugang zu einer grösseren Käuferschicht fand: Es war leicht und pannenarm. Herstellung und Handel begannen zu boomen. In den Jahren zwischen 1890 und 1910 entfaltete das Rad grösste soziale Strahlkraft: Veloclubs, Velozeitungen, Velorennen, Velomode, Veloverbände, Velofahrschulen, Veloromane, Veloplakate prägten den gesellschaftlichen Aufstieg des Fahrrads.
Erst die Verbreitung des Fahrrads erlaubte grössere Distanzen zwischen Arbeits- und Wohnstätten. Insbesondere die Emanzipation der Frauen kam voran. Radlerinnen tauschten Rock gegen Hose.
Fahrradfahren 1910-1945: Vom Luxusgut zum Alltagsvehikel
Etwa um 1910 war der Hype vorbei. Mit der Popularisierung ging eine Proletarisierung einher. Die Industrie musste sich anpassen – von der Fertigung eines Luxusgutes zur Produktion eines Gebrauchsgegensandes. Das rüttelte, wie Benedikt Meyer prägnant feststellt, die Branche zunächst durch: «Das Fahrrad verlor an Glanz, Preis und Prestige.»
Die Industrie suchte nach neuen Wegen. Und fand sie. So änderte sich noch vor dem Ersten Weltkrieg das Gefährt technisch. Separate Bremse, Gangschaltung und geschwungener Lenker machten das Fahrrad stadttauglicher und gemütlicher.
Das Fahrrad wurde für Angestellte und Arbeiter erschwinglich. Das Rad wurde zum Alltagsgut. Die Gesellschaft als ganze wurde mobiler, …
- was in den Städten den Bau von Aussenquartieren ermöglichte,
- was die Mieten sinken liess,
- was die Wohnsituation der städtischen Bevölkerung verbesserte.
Das ehemalige adlige «Dandy-Horse» wurde zum Drahtesel der arbeitenden Klasse. Doch was alle hatten, war nicht mehr für alle attraktiv. Fortschritt und Fahrrad gingen künftig getrennte Wege. Bereits 1920 stand das Automobil vor einer ersten – auf die Oberschichte begrenzten – Popularisierungswelle.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sank die Zahl der Privatwagen auf das Niveau von 1922, gleichzeitig konnte das Fahrrad erst noch leicht zulegen, um dann infolge des Kautschukmangels zu stagnieren. Mehr als jeder Dritte besass nun ein Rad. Und in Zürich und St. Gallen traten ernsthafte Parkplatzprobleme auf – für Velos.
Zugleich kamen zahlreiche Männer dank der Armee erstmals in Kontakt mit Lastwagen und Autos, eine Erfahrung, welche den Durchbruch der Motorfahrzeuge in den Nachriegsjahren begünstigte.
Fahrradfahren 1945-1968: Vom Zenit zur Randnotiz
Obschon 1952 das Velo in der Schweiz mit 386 Velos pro 1000 Einwohner einen vorläufigen Zenit erreichte, wurden im Zuge einer stürmischen Motorisierung die Velofahrer zusehends zur Quantité Négligeable.
Radfahrer und Radwege verschwanden aus dem Strassenbild. «Ein Prozess, der schleichend verlief, mit wenig Gegenwehr und gewöhnlich kaum bemerkt wurde», stellt Benedikt Meyer fest. Pointiert formuliert: Der Bau von Radwegen wurde hierzulande so lange verschlafen, bis er nicht mehr nötig war.
Denn mit dem Aufkommen der Autos und der Eröffnung von Autobahnen ab 1955 wurde das Land und die Landschaft neu hergerichtet. Die Schweiz wurde nicht kleiner, sie war nur schneller erreichbar. Auch die Städte veränderten sich: Vororte verschmolzen, Agglomerationen entstanden, Garagen sprossen hervor, in den Bergen wurden Zweitwohnungen errichtet.
Das Fahrradgewerbe in der Schweiz verfiel in einen Dornröschenschlaf.
Mit dem Verschwinden des Velos aus dem Alltag verschwanden auch deren Lobbyisten. Auch der Fahrradhandel hatte in der Nachkriegszeit ein Problem: die Nachfrage schwand. Zwar wurden Kinderräder verstärkt nachgefragt, solche für Erwachsene wurden immer weniger gekauft.
Düster präsentierte sich die Lage auch für die Hersteller von Velos. Die Umsätze waren rückläufig, die Zukunftsaussichten angesichts der Wachstumsraten der Autos trostlos. Investitionen und Innovationen wie das «Pfiff»-Klapprad 1960 fanden kein Publikum. Im schrumpfenden Fahrradgeschäft wurde der Konkurrenzkampf über Details wie Farben und Lackierungen ausgetragen.
Der Gesetzgeber schenkte dem Fahrrad in den 1960er-Jahren wenig Beachtung. Einzig ein Obligatorium für Rücklichter wurde 1966 eingeführt.
Bei der Verbreitung und Verwendung des Velos in der Schweiz weist Benedikt Meyer auf regionale Unterschiede hin: «Bis zum Ersten Weltkrieg waren Velos in der Romandie verbreiteter als in der Deutschschweiz. Dann entwickelte sich das Radfahren in der Deutschschweiz dynamischer und nach dem Zweiten Weltkrieg brachen die Bestände in den lateinschen Kantonen noch dramatischer ein als chez les alémaniques.» Selbst in den (steilen) Bergkantonen gingen die Velobestände gar weniger stark zurück als in Genf.
Fahrradfahren 1968-1973: Bewegung und Stillstand im Fahrradmarkt
Lärm, Luftverschmutzung, Energieverbrauch, Verkehrsopfer, Staus, Wachstumskritik, Lebensqualität führten zu einer aufkeimenden Kritik der 1968er-Generation am automobilen Strassenverkehr. Vermeintlich würde dadurch einiges fürs Fahrrad sprechen. Würde. Was wirklich zählt, bringt Historiker Meyer auf den Punkt: «Das Problem war, dass das Rad gar nicht mehr als Verkehrsmittel angesehen wurde, geschweige denn als Lösung für die Verkehrsprobleme.»
Für die Wende der Jahre 1968 bis 1973 greift die Situation auf den Strassen zu kurz. Entscheidend waren weniger die Staus, als vielmehr eine Faszination, für die das Fahrrad wieder neue Hoffnungen ermöglichte: dem Umweltbewusstsein und der Kritik an Fortschritts- und Wachstumsdenken. Die Sympathisanten dieser Bewegung in den frühen 1970er-Jahren waren ausserordentlich vielfältig:
- rational oder emotional,
- politisch rechts oder links,
- zukunftsgerichtet oder rückwärtsgewandt.
Aber auch alltägliche Einflussgrössen begünstigten den erneuten Aufschwung, wie Benedikt Meyer treffend analysiert: «In den 1970-er-Jahren war das Fahrradfahren auch ein Mittel, um seinen Nonkonformismus und seine Aufgeklärtheit zu demonstrieren. Radfahrer waren – für alle sichtbar – unabhängig und flexibel, umweltfreundlich, individuell, spontan und Herren und Damen ihres Fahrzeugs und ihrer Zeit. Parkplatzsuche, Staus und Benzinpreise kümmerten sie nicht.»
Fazit: Der Umbruch 1968 bis 1973 war Bewegung und Stillstand zugleich. Gebrauch und Wahrnehmung änderten sich, die Bestände und der Absatz aber stagnierten.
Fahrradfahren 1973-1980: Das Velo wird erwachsen
1973 drosselten die OPEC-Staaten die Förderung des Erdöls. Zwischen 1973 und 1974 stieg der Ölpreis von 3 bis zu 12 Dollar pro Barrel.
Zudem kollabierte 1973 das System der stabilen Wechselkurse zwischen den westlichen Industrieländern.
Beides zusammen bewirkte eine deutliche Abkühlung der Konjunktur und das Ende der wirtschaftlichen Boomphase der Jahre nach dem Zeiten Weltkrieg.
Das Benzin wurde massiv teurer, im Winter 1973/1974 wurden in der Schweiz drei Sonntage für autofrei erklärt. Der Effekt aufs Fahrrad war unmittelbar. Die Hersteller und Händler verzeichneten Zuwachsraten im Absatz. Indes ist das Umsatzplus des Fachhandels ein Nebenschauplatz, wie Benedikt Meyer treffend erläutert: «Wichtiger war das neue Publikum: Leute, die seit ihrer Kindheit nicht mehr Fahrrad gefahren waren, fanden zurück in den Sattel – und daran Gefallen.»
«Leute, die seit ihrer Kindheit nicht mehr Fahrrad gefahren waren,
Benedikt Meyer, Historiker und Buchautor
fanden zurück in den Sattel – und daran Gefallen.»
Gemäss Benedikt Meyer hält die Geschichte des Fahrrads die eine nicht unerhebliche Lektion für Marketingprofis bereit: «Das Velo gewann Kundschaft, die es ohne Ölkrise auch mit erheblicher Werbung kaum erreicht hätte. Die Ölkrise veränderte ausserdem die Wahrnehmung: Das Auto stand neuerdings für Abhängigkeit, das Fahrrad für Unabhängigkeit.»
Die neue Kundschaft entdeckte das Fahrrad nicht nur als Sport- und Spassvehikel, sondern als Möglichkeit, sich im Alltag mehr und damit gesundheitsfördernd zu bewegen, indem sie etwa den Arbeitsweg oder die Einkäufe auf zwei Rädern absolvierte.
In den 70ern erschloss das Rad neue Kundengruppen – diese waren älter, mit höherer Kaufkraft ausgestattet, gebildet, umweltbewusst und fragten vermehrt sportliche und teurere Modelle nach. Vermehrt setzten die Hersteller auf technisch hochwertige Modelle.
Ein anderer Popularitätsbeweis zeigte sich auf der Strasse: Mitte der 1970er-Jahre ging es mit den Velo-Diebstählen wieder bergauf. Endlich, würden sich wohl «Velofundis» nicht verkneifen können.
Auch über Radwege wurde nun wieder verstärkt diskutiert. Dabei ging es ab Mitte der 1970er-Jahre um zusammenhängende Netze, die zunächst im Umfeld vor Schulen, später im Stadtgebiet gebaut werden sollten.
Fahrradfahren 1980-2008: Gefällige Neuerungen, neue Geschäftsmodelle
1971 kamen auf 1000 Menschen in der Schweiz 206 Fahrräder. 1996 waren es 522. Das Velo feiert seine Renaissance – politisch, technologisch und wirtschaftlich.
Die Radfahrer gewannen an politischer Präsenz. Die Förderung der Fahrradnutzung wurde fortgesetzt. Die Verkehrsinfrastruktur wurde vielfältiger und fahrradfreundlicher ausgestaltet. Dabei ging es um grosse Projekte und tausende kleiner Details: Vortrittsrechte, Kanalisationsdeckel, Einbahnstrassen, Brücken, Spiegel, Signalemente, Ampeln, Radstreifen, Parkplätze, Radwegnetze, Tempolimiten, Kombinierbarkeit des Fahrrades mit dem Öffentlichen Verkehr, Fahrradverleih, um nur einige zu nennen. Populär ist das landesweite Projekt «Veloland Schweiz».
Zugleich konnten die Hersteller mit zahlreichen gefälligen Neuerungen aufwarten. Mountainbikes und E-Bikes schafften den Wandel vom industriellen Massenprodukt zum individuellen Lifestyle-Brand, mit dem sich fortan Abenteuerlust, Naturverbundenheit, Umweltschutz oder Fitnesskult verbinden liessen.
Neue Geschäftsmodelle entstanden, indem etwa Fahrradkuriere eine ausdifferenzierte Kundschaft bedarfs- und zeitgerecht bedienen.
Fahrradfahren 2008 bis heute: Interview mit Buchautor Benedikt Meyer
2008 schliesst Benedikt Meyer seine Forschungsarbeit zur Geschichte des Fahrrads in der Schweiz mit folgendem Ausblick: «Das Fahrrad hat noch offenes Potenzial. Wenn dieses genutzt werden soll, kann es nicht schaden, es wieder einmal neu zu erfinden.»
2008 war, 2025 ist. SICHTWEISENSCHWEIZ.CH hat bei Benedikt Meyer nachgefragt, wie er die jüngste Geschichte des Fahrradfahrens zwischen 2008 und heute in der Schweiz einschätzt.
Wie hat sich die Situation seit 2008 weiterentwickelt?
Benedikt Meyer: «Die grösste Veränderung sind die E-Bikes. Ihre Zahl hat seit 2008 massiv zugenommen. Damit verändert sich die Nutzerschaft des Velos, indem ältere Leute länger aktiv bleiben, aber auch die Nutzungsweise, indem etwa längere Strecken zurückgelegt oder aber auch grössere Lasten transportiert werden. Man denke nur etwa an die Kistenvelos, mit denen von Kindern bis Zimmerpalmen alles Mögliche herumgefahren wird.»
Und wie sieht die Zukunft aus?
Benedikt Meyer: «Das weiss ich natürlich nicht. Aber ich beobachte, dass es in den letzten Jahren auf den Fahrradspuren chaotischer geworden ist. Es sind alle möglichen Velotypen unterwegs, dazu 25er- und 40er-E-Bikes, E-Roller, E-Trottinette, Lastenvelos und, und, und. Alle haben unterschiedliche Dimensionen, Kurvenradien, Bremswege und Beschleunigungsverhalten. Das erfordert viel gegenseitige Rücksichtnahme. Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt!»
Wenn Sie mit einer Massnahme den Veloverkehr fördern müssten, welche wäre das?
Benedikt Meyer: «Nehmen wir etwas, das einfach und billig ist: Vortrittsregeln und Farbe. In meiner Nachbarschaft gibt es eine Veloroute durch die Agglomeration. Sie führt abseits der grossen Strassen der Talachse entlang durch die Wohnquartiere. Überall gilt Tempo 30, überall gilt Rechtsvortritt. In Gemeinde A hat die Veloroute neu Vortritt und ist zudem rot markiert. Es ist krass, was das für einen Unterschied macht! Man kann es einfach rollen lassen und muss nicht jedes Mal «spienzeln», ob nicht vielleicht ausnahmsweise doch jemand von rechts kommt. Dann kommt man in Gemeinde B und es ist wieder kompliziert.»
Was halten Sie von einer Velosteuer, wie sie aktuell diskutiert wird? Oder von einer Helmpflicht?
Benedikt Meyer: «Ich bin nicht aus Prinzip gegen eine Steuer. Aber wer etwas bezahlt, hat Anrecht auf eine Gegenleistung. Da bin ich gespannt, was die Initianten vorschlagen … .
Helme sind toll, eine Pflicht sehe ich aber kritisch. Dafür sollte endlich ein Verbot von Kopfhörern durchgesetzt werden. Wer so unterwegs ist, dem ist echt nicht zu helfen. Auch ein Licht gehört ganz einfach ans Velo. Da habe ich selbst schon Leute fast überfahren.»
Und was für einen Flitzer fahren Sie selbst?
Benedikt Meyer: «Ich habe ein 13jähriges, 25 Kilo schweres Tourenvelo. Das hat bislang noch jeden Pass geschafft. Zur Hochzeit haben meine Frau und ich zudem ein Tandem geschenkt bekommen. Eines, bei dem der vordere Teil wie ein Liegevelo gebaut ist. Man ist zusammen unterwegs und beide sehen etwas. Eine grossartige Erfindung!»
SICHTWEISENSCHWEIZ.CH dankt Beneditk Meyer für das Interview.
Kurzporträt Benedikt Meyer

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Dominik Thali, Der Velofahrer, zum Buch: «Vorwärts rückwärts lädt zu einer kurzweiligen Geschichtsfahrt auf zwei Rädern ein, auf der wir nach jedem Eck «Genau!» sagen. Oder aber: «Wusste ich gar nicht».
Hauptbildnachweis: Benedikt Meyer chic mit dem Fahrrad unterwegs. Porträtbild: Benedikt Meyer auf Fahrradtour in der Schweiz.
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