«Schwiizerfranke» mehret euch!

Eric Marschall hat den Finanzblog «Schwiizerfranke» 2019 gegründet, welcher mittlerweile zu den grössten der Schweiz gehört und sich ausschliesslich auf Finanzen für Menschen in der Schweiz fokussiert.

Im Interview mit SICHTWEISENSCHWEIZ.CH spricht Eric Marschall über Geld im Wandel – über den persönlichen Werdegang, Finanzbildung, Investmentstrategie, Sparphilosophie, die FIRE-Bewegung, über Veränderungen in der Finanzbranche und wie die Generationen Y und Z mit Geld umgehen – und einen Ausblick.


Sie sind in Deutschland aufgewachsen und leben jetzt in der Schweiz. Wie haben Sie den Wechsel im Umgang mit Geld erlebt – vom Land der «Pfennigfuchser» ins Land der «Rappenspalter»?

Eric Marschall: «Den Wechsel habe ich als echten Perspektivenwandel erlebt. In Deutschland herrscht oft eine gewisse Zurückhaltung beim Sprechen über Geld – es gilt fast als unhöflich, über Gehälter oder Vermögen zu diskutieren.

In der Schweiz begegne ich einer pragmatischeren Herangehensweise. Natürlich gibt es nicht ‹den einen Schweizer› oder ‹den einen Deutschen›. Als Schwabe kenne ich den Spargeist aus meiner Heimat nur zu gut und treffe hier durchaus Schweizer, die ich eher dem Klischee des typischen schwäbischen Sparers zuordnen würde. Was mich aber besonders beeindruckt: Hier wird Vermögensaufbau als etwas Selbstverständliches betrachtet, nichts, das man verstecken müsste.

Der wohl grösste Unterschied liegt in der zeitlichen Perspektive – in der Schweiz denkt man finanziell in Generationen, während in Deutschland der Fokus oft stärker auf kurzfristigen Zielen liegt.»


Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Finanzblog «Schwiizerfranke» zu gründen?

Eric Marschall: «Die Idee entstand aus meiner persönlichen Herausforderung. Als ich in die Schweiz kam, wollte ich eigentlich weiter so investieren, wie ich es in Deutschland gewohnt war: kostengünstig bei einem Online-Anbieter in eine breit gestreute Aktienmarkt-Strategie. Dies erwies sich jedoch als überraschend schwierig.

Einerseits gab es vor wenigen Jahren in der Schweiz noch keinen einzigen Anbieter mit ETF-Sparplänen. Exchange Traded Funds sind Produkte, welche sich dafür hervorragend eignen. Andererseits waren die Gebühren bei den meisten Banken für meinen Geschmack viel zu hoch. Also begann ich zu recherchieren – und fand kaum brauchbare Informationen.

Im Austausch mit Schweizern, die hier aufgewachsen waren, entdeckte ich ein gemeinsames Problem: Viele hatten online Informationen aus Deutschland gefunden, konnten diese aber nicht auf die Schweizer Situation übertragen. Da entstand die Idee, meine Recherchen öffentlich zu machen, um anderen zu helfen.

Heute unterstützt der Finanzblog nicht nur Zuwanderer wie mich, sondern vor allem auch Schweizerinnen und Schweizer, die – wie wir alle – ihr Finanzwissen nicht in der Schule gelernt haben.»

«Selbst würde ich mich nicht als ‹Finfluencer› bezeichnen.»

Eric Marschall, Gründer «Schwiizerfranke»
Mit Ihrem Blog «Schwiizerfranke» sind Sie einer der erfolgreichsten Finfluencer der Schweiz. Wie schaffen Sie als Finfluencer das, was in Geldfragen entscheidend ist: Vertrauen?

Eric Marschall: «Selbst würde ich mich nicht als ‹Finfluencer› bezeichnen. Dieser Begriff stellt für mich eine Person dar, welche sich in den Vordergrund stellt – ich stelle in aller Regel die Inhalte in den Vordergrund. Vertrauen entsteht meiner Meinung nach durch drei Säulen: Kompetenz, Transparenz und Ehrlichkeit.

Obwohl ich ursprünglich Ingenieur bin, habe ich in meine Finanzbildung investiert und mich beispielsweise zum zertifizierten Vermögensberater nach IAF-Standard ausbilden lassen. Weiterhin recherchiere ich gründlich und prüfe Informationen, bevor ich sie teile.

«Es geht nicht nur um Rendite, sondern um Selbstbestimmung und Sicherheit. Am wichtigsten ist mir aber, dass ich die Eigenverantwortung fördere.»

Eric Marschall, Finanzbildner

Bei Kooperationen mit Finanzanbietern lege ich grossen Wert auf Transparenz. Alle Partnerschaften werden klar gekennzeichnet, und ich verhandle für meine Community vorteilhafte Konditionen. Und im Unterschied zu vielen Medienplattformen: Auf meiner Plattform bleibt der Kommentarbereich immer geöffnet – Kritik und Korrekturen sind willkommen und wichtig.

Am wichtigsten ist mir aber, dass ich die Eigenverantwortung fördere. Ich biete keine Patentrezepte oder einfache Nachahm-Strategien an. Stattdessen ermutige und unterstütze ich meine Leser, selbst zu denken, kritisch zu bleiben und eigene, fundierte Entscheidungen zu treffen. Vertrauen bedeutet für mich nicht, dass jemand mir blind folgt, sondern dass ich ihm die Werkzeuge gebe, um seine eigenen Finanzentscheidungen selbstbewusst zu treffen.»


In der Schweiz sei das Finanzwissen «männlich und alt», spitzt Michael Jan Kendzia von der ZHAW das Ergebnis einer Studie zum Finanzwissen zu. Zustimmung oder Einspruch?

Eric Marschall: «Da muss ich leider zustimmen, aber mit einer wichtigen Ergänzung: Es ändert sich gerade rasant. Die traditionelle Finanzwelt war tatsächlich eine Domäne älterer Männer. Das spiegelt sich in der Sprache, den Produkten und den Vertriebswegen wider. Aber ich erlebe täglich, dass sich das Blatt wendet. Knapp 40% meiner Leserschaft sind inzwischen Frauen, mit steigender Tendenz. Besonders junge Frauen zwischen 25 und 35 zeigen enormes Interesse am Vermögensaufbau.

Was mich besonders freut: Die jüngere Generation nähert sich dem Thema Finanzen viel unbefangener. Sie stellen die richtigen Fragen und akzeptieren nicht mehr, dass Finanzwissen ein exklusiver Club sein soll. Meine Mission ist es, diesen Wandel zu beschleunigen und Finanzbildung für alle zugänglich zu machen – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Vorkenntnissen.»


Sie engagieren sich in der Finanzbildung, schaffen Online-Kurse, leiten Seminare, veröffentlichen Reader. Ist Finanzbildung nicht ein frustrierendes Metier, zumal sich bei der Geldanlage die immer gleichen teuren Fehler wiederholen?

Eric Marschall: «Frustration entsteht nur, wenn man unrealistische Erwartungen hat. Ich sehe es als Marathon, nicht als Sprint. Natürlich wiederholen sich viele Fehler – das ist menschlich. Aber ich erlebe jeden Tag kleine Erfolgsgeschichten:

  • Der Student, der seinen ersten ETF-Sparplan einrichtet;
  • die alleinerziehende Mutter, die endlich ihre Altersvorsorge in die Hand nimmt;
  • der Expat, der das Schweizer Vorsorgesystem durchschaut und optimiert.

Was mich antreibt, ist die Erkenntnis, dass Finanzbildung echte Lebensveränderungen bewirken kann. Es geht nicht nur um Rendite, sondern um Selbstbestimmung und Sicherheit. Wenn ich dazu beitragen kann, dass Menschen weniger Angst vor Finanzen haben und bessere Entscheidungen treffen, dann ist das alles andere als frustrierend – es ist erfreulich und erfüllend.»


Investieren Sie als Inhaber des Finanzblogs «Schwiizerfranke» in Schweizer Franken?

Eric Marschall: «Ja und nein – und das ist eine bewusste Strategie. Meinen Notgroschen und meine kurzfristigen Reserven halte ich selbstverständlich in Schweizer Franken. Der Franken ist eine der stabilsten Währungen der Welt und bietet gerade in Krisenzeiten Sicherheit.

Für meine langfristigen Investments setze ich jedoch auf eine durchdachte globale Diversifikation mit einem bewussten ‹Home Bias›. Das bedeutet, ich gewichte Schweizer Anlagen mit etwa 30 bis 40 Prozent stärker, als es ihr Anteil am globalen Markt rechtfertigen würde. Dieser Ansatz hilft nicht nur in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten, sondern reduziert auch Währungsrisiken und vor allem Gebühren bei Währungswechseln. Wie ich immer sage: Tiefere Gebühren sind geschenkte Rendite.

Es gibt zudem interessante Studien, die belegen, dass ein bewusster Anteil von Schweizer Aktien im Portfolio für einen Investor in der Schweiz sehr vorteilhaft sein kann. Neben diesem gezielten Home Bias investiere ich den Grossteil meines Portfolios natürlich breit gestreut international mit ETFs und Indexfonds.»


Die Frage ist nicht, ob es einen nächsten Crash gibt. Die Frage ist, wann es den nächsten Crash gibt: Wie sicher ist der Schweizerfranken in einem Crash?

Eric Marschall: «Der Schweizer Franken geniesst weltweit den Ruf eines sicheren Hafens in Krisenzeiten. In vielen bedeutenden Marktturbulenzen der vergangenen Jahrzehnte zeigte er relative Stärke gegenüber anderen Währungen. Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen: die politische Stabilität der Schweiz, die traditionell vorsichtige Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank, die solide Wirtschaftsstruktur und das internationale Vertrauen in das Schweizer Finanzsystem.

«Ich schätze den Franken als wichtigen Stabilitätsanker, setze aber nicht ausschliesslich auf ihn.»

Eric Marschall, Blog «Schwiizerfranke»

Allerdings sollte man ‹Sicherheit› immer relativ betrachten. Kein Vermögenswert, keine Währung ist vollständig immun gegen schwere globale Schocks. Die Schweizer Wirtschaft ist eng mit der Weltwirtschaft verflochten. Ein tiefgreifender Crash würde letztlich alle Währungen und Anlageklassen treffen – wenn auch in unterschiedlichem Ausmass.

Meine persönliche Strategie ist daher ausgewogen: Ich schätze den Franken als wichtigen Stabilitätsanker, setze aber nicht ausschliesslich auf ihn. Echte finanzielle Widerstandsfähigkeit entsteht durch breite Diversifikation über verschiedene Währungen, Anlageklassen und Regionen hinweg. Kombiniert mit einem langfristigen Anlagehorizont gibt mir das die nötige Gelassenheit, auch temporäre Markteinbrüche aussitzen zu können.»


Der Lebenstraum der sogenannten «FIRE-Bewegung» (FIRE = Financial Independence, Retire Early) ist finanzielle Unabhängigkeit durch konsequentes Sparen und smarte Geldanlagen, um mit 40 den Ruhestand anzutreten. Inwiefern richten Sie sich nach FIRE aus?

Eric Marschall: «Die Grundidee von FIRE – finanzielle Unabhängigkeit erreichen – teile ich durchaus. Aber ich interpretiere das ‹RE› anders: nicht als ‹Retire Early›, sondern als ‹Redefine Expectations›.

Obwohl ich gebürtiger Schwabe bin, entspreche ich nicht dem Klischee des extremen Sparers. Als Unternehmer konzentriere ich mich stärker auf die Einnahmenseite der Gleichung. Für mich geht es auch nicht darum, mit 40 aufzuhören zu arbeiten, oder überhaupt mit einem bestimmten Alter. Tatsächlich kann ich mir gut vorstellen, bis ins hohe Alter aktiv zu bleiben.

«Aber ich interpretiere das ‹RE› anders: nicht als ‹Retire Early›, sondern als ‹Redefine Expectations›.»

Eric Marschall

Der entscheidende Punkt ist für mich die Freiheit, selbst zu entscheiden, an welchen Projekten ich arbeite. Ich möchte Dinge tun, die mir Freude bereiten, die anderen Menschen helfen und die einen positiven Beitrag leisten. Mein Blog ‹Schwiizerfranke› ist dafür ein gutes Beispiel: Er begann als Leidenschaft und entwickelte sich zu etwas, das sowohl sinnstiftend als auch wirtschaftlich tragfähig ist.

Finanzielle Unabhängigkeit bedeutet für mich also nicht, nicht mehr zu arbeiten, sondern die Freiheit zu haben, meine Arbeit nach meinen eigenen Werten und Vorstellungen zu gestalten. Ich strebe danach, das Einkommen von der Notwendigkeit zu arbeiten zu entkoppeln, nicht die Arbeit selbst aus meinem Leben zu entfernen.»


Um finanzielle Freiheit früher zu erreichen, sparen Sie nach eigenen Aussagen monatlich 20% des Einkommens. Wie schaffen Sie diese Sparquote? Worauf verzichten Sie?

Eric Marschall: «Der Schlüssel zu meiner Sparquote ist unternehmerisches Denken im Alltag. Ich sehe mein Leben nicht als Übung im Verzicht, sondern als bewusste Investition meiner wertvollsten Ressourcen: Zeit, Geld und – nicht zu vergessen – meine Gesundheit, die einzige Währung, die sich nicht an der Börse handeln lässt.

Mein Ansatz ist einfach: Ich investiere grosszügig in das, was mir echte Freude und Mehrwert bringt – Reisen, Bildung und Qualitätsprodukte, die lange halten. Bei allem anderen frage ich mich: Bringt mir das wirklich mehr Lebensqualität?

«Direkt nach Gehaltseingang werden 20% in Sparpläne und Investments umgeleitet – ich bezahle mich selbst zuerst. Was ich nicht sehe, vermisse ich auch nicht.»

Eric Marschall

Ich outsource gezielt Tätigkeiten, die mir Zeit für Einkommensgenerierung freischaufeln. Meine Haushaltshilfe betrachte ich beispielsweise als geniale Partnerschaft: Die drei Stunden, die sie mir wöchentlich schenkt, investiere ich in Projekte, die mir nicht nur Freude bereiten, sondern auch deutlich mehr einbringen, als ihre Unterstützung kostet. Wir beide gewinnen – sie hat einen fairen Job, und ich kann mich auf das konzentrieren, was ich am besten kann und was mir am meisten Spass macht. Gutes Zeitmanagement ist manchmal, zu erkennen, wann andere etwas besser oder effizienter erledigen können als man selbst.

Dagegen wechsle ich meine Pneus selbst, nicht aus Sparsamkeit, sondern weil es für mich effizienter ist als der Weg zur Werkstatt.

Das Fundament meines Systems ist die Automatisierung: Direkt nach Gehaltseingang werden 20% in Sparpläne und Investments umgeleitet – ich bezahle mich selbst zuerst. Was ich nicht sehe, vermisse ich auch nicht. Diese einfache Routine hat das Sparen zur mühelosen Gewohnheit gemacht, die ich nicht mehr als Einschränkung wahrnehme.»


Das eingesparte Geld schicken Sie an die Börse: Warum setzen Sie auf die sogenannte Core-Satellite-Strategie?

Eric Marschall: «Die Core-Satellite-Strategie vereint für mich das Beste aus zwei Welten: Sicherheit durch breite Streuung im Kern (Core) und die Möglichkeit, mit kleineren ‹Satellite›-Investments von spezifischen Marktchancen zu profitieren.

«Die Satelliten bezeichne ich aber klar als Spekulation,
nicht als Investments.»

Eric Marschall

Etwa 80% meines Portfolios bilden den Core – das sind hauptsächlich breit gestreute, kosteneffiziente ETFs auf breite Indizes. Dieser Kern sorgt für Stabilität und bildet die Basis meiner langfristigen Vermögensentwicklung. Er läuft quasi auf Autopilot und benötigt kaum Aufmerksamkeit.

Die übrigen 20% verteile ich auf Satelliten – das können Anlagen in Gold, Kryptowährungen oder etwa Einzelaktien sein. Geldanlage darf schliesslich auch Spass machen. Die Satelliten bezeichne ich aber klar als Spekulation, nicht als Investments.»


Werden Finanzexperten gefragt, was sie im Rückblick beim Investieren anders gemacht hätten, lautet die Antwort häufig: früher anfangen. Wann haben Sie angefangen?

Eric Marschall: «Ich hatte das Glück, relativ früh anzufangen – mit 18 Jahren, dank dem Geld aus meiner Lehre. Aber ehrlich gesagt waren meine ersten Schritte alles andere als perfekt. Ich begann mit Einzelaktien, welche ich weder verstand noch ausreichend analysiert hatte.

Der wahre Durchbruch kam erst einige Jahre später, als ich anfing, mich intensiv mit Finanzbildung zu beschäftigen und den Wert von kostengünstigen, breit diversifizierten Indexfonds erkannte. Ab diesem Zeitpunkt wurde mein Anlageverhalten systematischer und erfolgreicher.

«Ja, früh anfangen ist wichtig – aber noch wichtiger ist, kontinuierlich zu lernen und die eigene Strategie zu verfeinern.»

Eric Marschall

Was ich daraus gelernt habe: Ja, früh anfangen ist wichtig – aber noch wichtiger ist, kontinuierlich zu lernen und die eigene Strategie zu verfeinern. Das Schöne am Vermögensaufbau ist, dass man nie zu spät anfangen kann.

Wie sagt man so schön: Der beste Zeitpunkt zum Investieren war vor 20 Jahren. Der zweitbeste ist heute.»


Wie unterscheiden sich die Generation Y (geboren etwa 1981-1995) und die jüngere Generation Z (geboren etwa 1996-2010) im Umgang mit Geld? Was ist ihnen gemeinsam?

Eric Marschall: «Was beide Generationen verbindet, ist die Digitalisierung des Geldlebens. Sowohl Gen Y als auch Gen Z sind mit Online-Banking aufgewachsen und nutzen selbstverständlich Finanz-Apps. Beide Generationen sind auch kritischer gegenüber traditionellen Finanzinstituten und suchen nach alternativen Lösungen.

«Die Unterschiede zwischen den Generationen Y und Z sind faszinierend.»

Eric Marschall

Die Unterschiede sind jedoch faszinierend: Die Millennials (Gen Y) erlebten die Finanzkrise 2008 als prägendes Ereignis, was oft zu einer gewissen Skepsis gegenüber dem Finanzsystem führte. Ich war damals in meiner Lehre und hatte Angst um meinen Arbeitsplatz. Viele zögerten zunächst beim Investieren. Die Gen Z hingegen wuchs in einer Zeit der Niedrigzinsen auf und hat früh verstanden, dass traditionelles Sparen nicht ausreicht. Sie sind oft mutiger beim Investieren und gleichzeitig risikobewusster.

Ein weiterer interessanter Unterschied: Während Millennials oft noch dem traditionellen Lebensentwurf ‹Studium, Job, Haus kaufen› folgen, definieren viele Gen Z-ler Erfolg anders. Für sie stehen Flexibilität, Unabhängigkeit und Lebenssinn im Vordergrund. Das spiegelt sich in ihrem Umgang mit Geld wider – weniger Fokus auf Besitz, mehr auf Erfahrungen und Entwicklung.

Was mich besonders beeindruckt: Die Gen Z informiert sich grundlegend anders, bevor sie finanzielle Entscheidungen trifft. Sie nutzen YouTube, TikTok und Podcasts für Finanzbildung und sind oft gut informiert. Das gibt mir Hoffnung für die finanzielle Zukunft dieser Generation.»


Die Finanzbranche verändert sich schnell. Worauf muss sich der Privatanleger in der Schweiz einstellen?

Eric Marschall: «Die Digitalisierung schreitet jeden Tag voran, mit immer mehr Apps und Online-Plattformen. Doch die Grundprinzipien erfolgreicher Geldanlage bleiben gleich – und das ist eigentlich eine beruhigende Nachricht.

«Während früher die Bank den Anlageprozess weitgehend steuerte, müssen Privatanleger heute mehr eigene Entscheidungen treffen.»

Eric Marschall

Wir erleben aktuell einen Wandel zum Besseren: höhere Transparenz, mehr Wettbewerb und dadurch sinkende Gebühren. Gleichzeitig müssen Anleger wachsam bleiben. Es gibt ständig neue ‹alternative› Anlagemöglichkeiten, bei denen man schnell in Anlage-Fallen tappen kann. Besonders tückisch sind versteckte Gebühren, die manchmal unter dem Deckmantel aktueller Themen wie Nachhaltigkeit oder künstlicher Intelligenz verborgen werden.

Die Eigenverantwortung nimmt zu. Während früher die Bank den Anlageprozess weitgehend steuerte, müssen Privatanleger heute mehr eigene Entscheidungen treffen. Das erfordert eine solide Finanzbildung, die in unserem Bildungssystem leider nach wie vor zu kurz kommt.

Mein Rat: Lasst euch nicht von kurzfristigen Marktbewegungen oder dem nächsten ‹heissen Trend› verunsichern. Setzt auf einfache, aber bewährte Anlagestrategien. Wenn ich mich frage, ob meine breit gestreuten Aktieninvestments die nächsten 20 Jahre gut laufen werden, hilft mir ein Blick auf die Entwicklung der letzten 150 Jahre. Diese langfristige Perspektive gibt mir die nötige Ruhe, um nicht ständig ins Depot zu schauen und nervös zu werden.»


Finanzinstitute bieten Robo-Advisor an – ein Kofferwort für Roboter (Robo) und Berater (Advisor). Welche Vor- und Nachteile haben Robo-Advisor für Geldanleger? Für wen eignen sich diese?

Eric Marschall: «Robo-Advisor sind im Grunde digitale Bankberater–Programme, die die Geldanlage automatisch verwalten. Sie haben in den letzten Jahren den Finanzmarkt stark verändert und für viele Menschen zugänglicher gemacht.

Der grösste Vorteil liegt in der Einfachheit und den tiefen Kosten. Man kann bereits mit kleinen Beträgen anfangen zu investieren, und die Gebühren sind transparent ausgewiesen. Typischerweise fallen Gebühren zwischen 0,3% und 0,5% pro Jahr an – deutlich weniger als die 1-2% oder mehr, die traditionelle Vermögensverwalter und Banken für ihre Dienstleistungen verlangen.

Ein weiterer Pluspunkt: Der Computer handelt nach festen Regeln und nicht nach Gefühl. Wenn die Börse fällt, verkauft er nicht panisch alle Anlagen, sondern hält sich an die vorgegebene Strategie.

Allerdings gibt es auch Nachteile. Robo-Advisor arbeiten mit Standardlösungen und können nicht wirklich auf individuelle Situationen eingehen. Es fehlt der menschliche Berater, der bei Marktschwankungen beruhigt oder komplexere Finanzfragen bespricht.

Robo-Advisor eignen sich besonders für Einsteiger und alle, die eine unkomplizierte Lösung suchen. Bei komplexeren Vermögensverhältnissen oder speziellen Anlagezielen kann jedoch zusätzliche persönliche Anpassung sinnvoll sein.»

«Was wir zunehmend sehen, sind Hybrid-Modelle: digitale Lösungen für alltägliche Bankgeschäfte, persönliche Beratung für komplexere Themen.»

Eric Marschall
Hat das klassische Banking ausgedient?

Eric Marschall: «Ausgedient? Nein, aber es verändert sich grundlegend. Wir sehen schon jetzt eine Transformation. Von einem Aussterben gehe ich vorerst nicht aus. Banken passen sich an und werden digitaler – müssen es auch, um relevant zu bleiben.

Die Kernkompetenzen traditioneller Banken bleiben wertvoll: Sicherheit, Vertrauen und qualifizierte Beratung bei komplexen Finanzfragen. Gerade in der Schweiz mit ihrer langen Banktradition sind diese Stärken nicht zu unterschätzen.

Was wir zunehmend sehen, sind Hybrid-Modelle: digitale Lösungen für alltägliche Bankgeschäfte, persönliche Beratung für komplexere Themen. Banken konzentrieren sich mehr auf ihre Stärken, statt alles aus einer Hand anbieten zu wollen.

Die Herausforderung durch Neo-Banken und Fintechs ist real und bringt einen gesunden Druck auf Gebühren und Prozesse. Das bedeutet mittelfristig Vorteile für uns Kunden. Interessanterweise haben etablierte Banken auch einen Wettbewerbsvorteil: Sie kennen sich mit Regulierung aus, während viele Fintech-Startups damit erst umgehen lernen müssen.

Die Wertschöpfung verlagert sich vom reinen Produkt zur Beratung und Kundenbeziehung. Gerade in der Vermögensverwaltung wird das menschliche Element weiterhin wichtig bleiben – allerdings ergänzt durch digitale Tools.

Schlussendlich sehe ich für uns Kunden eine positive Entwicklung: mehr Wahlmöglichkeiten, bessere Optionen und langfristig sinkende Kosten.»


Wie positionieren sich Banken aktuell im Wettbewerb um die private Anlegerschaft?

Eric Marschall: «Wir erleben gerade einen spannenden Wandel in der Bankenwelt. Etablierte Häuser modernisieren endlich ihre digitalen Angebote, bewegen sich dabei aber oft noch recht steif. Viele Grossbanken haben die Bedürfnisse der jungen Kundschaft noch nicht wirklich verstanden, obwohl sie eifrig mit aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit werben.

Bei genauem Hinsehen verstecken sich hinter manch modernem Interface leider noch immer die gleichen alten, teuren Gebührenstrukturen. Hier lohnt es sich, kritisch zu bleiben.

«Denn letztendlich brauchen wir beides: innovative Finanzprodukte
und das nötige Wissen, um sie klug zu nutzen.»

Marc Marschall

Doch es gibt auch eindeutig positive Entwicklungen: Die Einstiegshürden sinken merklich. Vermögensverwaltung ist nicht mehr nur für Wohlhabende zugänglich, sondern oft schon mit kleineren Beträgen möglich. Diese Demokratisierung verdanken wir hauptsächlich dem Wettbewerbsdruck durch innovative Fintechs.

Was mich allerdings nachdenklich stimmt: Die meisten Banken bemühen sich erstaunlich wenig um echte Finanzbildung ihrer Kunden. Das ist kein Zufall – informierte Anleger stellen kritischere Fragen und akzeptieren weniger leicht überhöhte Gebühren. Genau deshalb bleibt meine Arbeit als unabhängiger Finanzaufklärer wichtig. Denn letztendlich brauchen wir beides: innovative Finanzprodukte und das nötige Wissen, um sie klug zu nutzen.»

«Innovative Fintechs erobern die Finanzwelt mit frischen Ideen und kundenfreundlichen Angeboten.»

Eric Marschall
Welche neuen Player drängen in den Markt? Mit welchen Angeboten?

Eric Marschall: «Der Schweizer Finanzmarkt erlebt gerade eine digitale Revolution. Innovative Fintechs erobern die Finanzwelt mit frischen Ideen und kundenfreundlichen Angeboten.

Ein Paradebeispiel ist Yuh, geboren aus der ungewöhnlichen Partnerschaft zwischen dem Digital-Pionier Swissquote und der traditionsreichen PostFinance. Im März 2025 meldeten sie einen bemerkenswerten Erfolg: als erste Schweizer Finanz-App profitabel und europaweit am schnellsten in den schwarzen Zahlen.

Aus anderen Richtungen drängen internationale Player wie Revolut mit ihrer All-in-One-Lösung in den Schweizer Markt. Gleichzeitig expandieren heimische Erfolgsgeschichten wie finpension von der Freizügigkeitslösung in Richtung vollwertiger Universalbank.

VIAC hat als Pionier Geschichte geschrieben: Als erster Anbieter einer digitalen, aktienbasierten 3a-Lösung revolutionierten sie den Schweizer Vorsorgemarkt und haben ihr Erfolgsrezept inzwischen etwa auf freie Investmentlösungen übertragen.

Besonders aufschlussreich für den Wandel: Die Saxo Bank mit ihren kostenlosen ETF-Sparplänen hat kürzlich einen prominenten Investor gefunden – die traditionsreiche Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin erwarb 70% der Anteile. Ein deutlicheres Signal für die Verschmelzung von alt und neu gibt es kaum.

Neben diesen Beispielen gibt es zahlreiche weitere innovative Anbieter mit spezifischen Stärken. Was sie alle eint: bessere Technologie, transparentere Kosten und ein klarer Fokus auf echte Kundenbedürfnisse – zum Vorteil aller Anleger.»


Was stimmt Sie zuversichtlich, dass Anlegerinnen und Anleger auch in unsicheren Zeiten wie diesen ihr Vermögen mehren können?

Eric Marschall: «Meine Zuversicht basiert auf einer einfachen historischen Tatsache: Die Wirtschaft und die Märkte haben jede Krise überwunden – und werden es auch diesmal tun. Wer in den vergangenen 100 Jahren zu irgendeinem Zeitpunkt in einen breit gestreuten globalen Aktienindex investiert und diesen 15 Jahre oder länger gehalten hat, erzielte praktisch immer eine positive Rendite – trotz Weltkriegen, Ölkrisen, Dotcom-Crash, Finanzkrise und Pandemie.

«Unsichere Zeiten sind kein Grund zur Sorge –
sie sind der Normalzustand an den Märkten.»

Eric Marschall

Was mich besonders optimistisch stimmt: Die Grundlagen für erfolgreiche Geldanlage waren nie zugänglicher als heute. Die Einstiegshürden sind tief, die Informationen reichlich, und die Kosten so fair wie nie zuvor. Als Anleger kann man heute informierte Entscheidungen treffen, ohne einen Grossteil der Rendite an teure Mittelmänner abzugeben.

Unsichere Zeiten sind kein Grund zur Sorge – sie sind der Normalzustand an den Märkten. Tatsächlich ist die Unsicherheit der Grund, warum langfristige Investoren überhaupt eine Rendite erzielen. Sie ist die Prämie, die wir für das Aushalten von Schwankungen bekommen.

Mein wichtigster Rat: Den langfristigen Blick nicht verlieren. Die täglichen Schlagzeilen sind für Anleger meist Rauschen, keine Signale. Wer eine klare Strategie hat, breit diversifiziert ist und die Disziplin aufbringt, auch in stürmischen Zeiten an seinem Plan festzuhalten, wird belohnt werden. Das hat die Geschichte immer wieder gezeigt – und genau das stimmt mich auch heute zuversichtlich.»

SICHTWEISENSCHWEIZ.CH dankt Marc Marschall für das Interview.

Kurzporträt Eric Marschall
Eric Marschall absolvierte in Süddeutschland eine Berufslehre als Mechatroniker, studierte Physik und arbeitete als Ingenieur. Er ist ausgebildeter Vermögensberater IAF. 2019 gründete er den Finanzblog «Schwiizerfranke». Eric Marschall versteht sich als Finanzbildner: «Heute widme ich mich meiner Mission der Finanzbildung in der Schweiz in Vollzeit.» Er lebt im Grossraum Zürich.

Hinweis: Kapitalanlagen bergen Risiken. Dieses Interview stellt keine Finanzberatung dar.

 

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