D’Zyt isch do. Mundart Schweiz Nr. 2

Mit seiner einprägsamen und anregenden Dialektliteratur ist der Solothurner Josef Reinhart (1875-1957) ein, für viele gar der Schweizer Volksschriftsteller.

Seine beliebten Verse und Reime zieren auch heute alle bekannten Gedicht- und Liedersammlungen. Aus seinem umfangreichen Werk bringen wir ein Liebes- und Maiengedicht sowie einen Zauberspruch – zwei Werke für «all ages», junge und junggebliebene Menschen.

Redaktorin Olga Meier würdigte D’Zyt isch do 1953 in der Schweizerischen Lehrerinnenzeitung. Das Maien- und Liebeslied habe «für viele den Fehler (…), dass es zu wenig Strophen aufweist.»[1] Gewogener ist ein lyrisches Kompliment kaum auszudrücken. Dem Dichter reichten im Original zwei kurze Strophen. Für Josef Reinhart selbst sind es «Verse, die das ewige Geltungsrecht der Liebe besingen.»[2]


D’Zyt isch do

Von Josef Reinhart

«D’Zyt isch do, d’Zyt isch do!»
Singt’s uf em Nussbaum scho,
singt’s uf em Schlehdornhag,
singt’s, was es singe mag;
’s isch Meietag.

’s Härz, das singt: «Lang scho do!»
D’Liebi frogt nüt dernoh;
Laub am Baum, Schnee im Hag,
’s Härz, das isch gäng parat
zum Meietag!


Bekannt wurde D’Zyt isch do als «Kennmarke» des Schweizer Radios Beromünster. Dazu gibt es eine Geschichte hinter dem Lied: Im Dezember 1926 übertrug Radio Bern einen Unterhaltungsabend aus Solothurn. Unvermittelt fiel ein Mitwirkender aus. Eine peinliche Pause entstand, «die jedoch nicht lange dauerte, denn eine beherzte, sangesfreudige Dame betrat die Bühne und stimmte zum Vergnügen des Publikums und der Hörer das Volkslied D’Zyt isch do an.»[3] Die Radioleute beschlossen, die Melodie – komponiert von Casimir Meister – fortan als Pausenzeichen und Erkennungsmerkmal zu benutzen. Hören Sie rein.



Zauberspruch

Überliefert von Josef Reinhart

Han emol es Sprüchli ghört.
’s tönt mr i den Ohre,
Wo mr ’s Müeti gsunge het,
E Zauberspruch, vor ville, ville Johre.
Bi uf d’Steinli gfalle.
Ha ne Büüle gha,
Bi zum Müeti gange,
Het nes Sprüchli gha.
Wo mer alli Büüle banne cha:
«Heile, heile Säge.
Drei Tag Räge.
Drei Tag Schnee,
’s tuet im Büebii nümme weh!»

’s Müeti han i nümme meh,
’s Sprüchli isch mr bliebe.
Ha scho mängi Büüle gha.
Hätt se gärn vertriebe:
«Heile, heile Säge,
Drei Tag Räge,
Drei Tag Schnee,
’s tuet im Büebii nümme weh!»


Das Gedicht „Heile heile Säge. Drei Tag Räge. Drei Tag Schnee. ’s tuet im Büebii nümme weh!“ ist ein traditioneller Trostvers, der kleinen Kindern aufgesagt wird, wenn sie sich verletzt haben. Ziel ist es, Schmerz zu lindern und die kleinen Patienten zu beruhigen, ähnlich wie ein tröstender Kuss oder eine liebevolle Umarmung. Die Zeilen enthalten eine Art beruhigende «magische» Zeitformel, die andeutet: Nach ein paar Tagen ist alles wieder gut.[4]

Kurzporträt Josef Reinhart
Als Bauernkind aufgewachsen, wirkte Josef Reinhart (1875-1957) ab 1894 als Primarlehrer in Niedererlinsbach und später in Schönenwerd. Nach Studien in Zürich und Bern wurde er zum Deutschlehrer an die Seminarabteilung der Kantonsschule Solothurn gewählt. 1936 erhielt er den Ehrendoktortitel der Universität Bern. Von 1944 is 1955 erschien im Verlag Sauerländer eine elfbändige Reinhart-Gesamtausgabe. 1916, 1936 und 1952 gewann er Preise der Schweizerischen Schillerstiftung, 1944 den Jugendbuchpreis des Schweizerischen Lehrervereins. Der Nachlass des Schweizer Volksschriftstellers befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern.
Quellenangaben

(1) Schweizerischer Lehrerinnenverein (Hrsg.): Ein Lied auf Wanderschaft. In: Schweizerische Lehrerinnenzeitung Heft 7, Band 57 (1952-1953), Seite 104-106. ETH-Bibliothek Zürich, E-Periodica.

(2) Ebenda.

(3) Die neuen Pausenzeichen von Beromünster. In: Neue Zürcher Zeitung, Ausgabe 03, 6. Januar 1967, e-newspaperarchives.ch.

(4) Schwyzerlüt: Vier Gedicht vom Josef Reinhart. Heft 4-6, Band 13 (1951), Schweizerisches Literaturarchiv (SLA). Nachlass Josef Reinhart. ETH-Bibliothek Zürich, E-Periodika.

Bildnachweis: Kelly Sikkema auf Unsplash

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