Allein in einer Ecke sitzen, abgeschottet, einsam: Mein Pädagogenherz hat immer geblutet, wenn ein Kind traurig, allein und unglücklich war und innerhalb des Klassengefüges sichtlich im Abseits stand. Wir Menschen sind doch nicht für die Einsamkeit gemacht. Wir sollen interagieren, lernen voneinander, uns austauschen und kooperieren. Gemeinsam statt einsam. Sich immer abzuschotten, abzuwenden, vornehm aussen vor zu bleiben und gar zu meinen, dass es die anderen sowieso nicht können, führt auf den Holzweg und in die Isolation.
Im Fussball mögen wir spannende, dynamische Spiele mit vielen Toren. Trotzdem wurde die Abseitsregel eingeführt, die es einem Torjäger deutlich erschwert, einfach in der Nähe des gegnerischen Tors zu verharren und auf ein Zuspiel zu warten, um dann den Ball in den Maschen versenken zu können.
Was will die Schweiz? Wohin soll die Reise unseres Landes gehen? Wir stehen vor einschneidenden Fragen zur Zukunft unseres Landes. Auf der politischen Agenda steht der Entscheid über die Staatsverträge der Schweiz mit Europa.
Was haben Fussball und Politik gemeinsam?
Ja, sie sind sehr komplex, die Staatsverträge, die zwischen unserem Land Schweiz und der Europäischen Union in unzähligen Stunden verhandelt wurden. Sie beinhalten eines der wichtigsten Prinzipien einer Demokratie: Konsens, jeder nimmt und gibt, wir treffen uns in der Mitte.
Bei den für unser Land so wichtigen Staatsverträgen driften die Meinungen erwartungsgemäss stark auseinander. Die Diskussionen sind unerbittlich, werden schwarz-weiss und mit dem Zweihänder ausgeführt. Es werden Andersdenkende öffentlich an den Pranger gestellt, ihnen jegliche demokratische Kompetenz abgesprochen und gar die Auflösung der Schweiz bei einer Annahme heraufbeschworen. Dies ist gefährlich für unsere Demokratie.
Was lernen wir aus dem Fussball hinsichtlich der Politik? Gerade die Abseitsregel führt dazu, dass der Weg zum Tor meist nur über Knochenarbeit führt. Gefragt ist ein gepflegter Spielaufbau, lange Pässe, Spielverlagerungen, Dribblings, faires Tackling, kurze Pässe, Stellungsspiel, Auswechslungen, taktische Überraschungen, usw. Genau wie in der Politik!
Ich bitte dabei einfach zu bedenken, dass auf lange Sicht ein Alleingang und ein Abseitsstehen fatal für unser Land wäre. Als Land verlieren wir immer mehr an Einfluss, wenn wir uns nicht aktiv am Spiel beteiligen. Es entgehen uns Handlungsmöglichkeiten und Mitgestaltungskraft, wenn wir im Abseits stehen.
Im Sport wie auch in der Politik bedeutet die Abseitsregel, dass ein Mitspieler zwar mit auf dem Feld steht, aber nicht eingreifen darf. Unser Land Schweiz sollte unbedingt auch weiterhin Teil der aktiven Spielzüge sein. Das Abseitsstehen ist eine unnötige, uns selbstauferlegte Limitierung – wir sind mit dabei, aber doch nicht wirklich einbezogen.
Gemeinsam statt einsam gilt auch für die Forschung
Für mich eine Herzensangelegenheit ist die Mitwirkung unserer Jugend am internationalen Forschungsaustausch. Erasmus+ ist das Förderprogramm der Europäischen Union für Bildung, Jugend und Sport. Es fördert die Studierenden und Personalmobilität, will die Qualität der Hochschulbildung verbessern, sowie Kompetenzen und Beschäftigungsfähigkeit verbessern und internationale Kooperationen und strategische Kooperationen unterstützen. Die Schweiz ist dabei ein im internationalen Forschungsumfeld hoch geschätzter Partner.
Dazu kommt das bis 2027 laufende wichtigste EU-Programm zur Förderung von Forschung und Innovation, Horizon Europe. Es will die wissenschaftliche Exzellenz in Europa stärken, technologische Durchbrüche und Innovationen fördern, die europäische Wettbewerbsfähigkeit ausbauen und gemeinsam die globalen Herausforderungen wie z.B. Klima, Gesundheit, Energie und Digitalisierung bewältigen.
Kürzlich habe ich in einem Meinungsbeitrag zu den Staatsverträgen gelesen, dass wir unseren Schweizer Forschungsfranken viel lieber im eigenen Land einsetzen sollten, als uns bei den internationalen Forschungsprogrammen wie Erasmus+ oder Horizon Europe zu beteiligen. Diese Haltung kann man haben. Natürlich haben wir sehr gescheite und innovative Köpfe in unserem Land. Aber, diese Betrachtungsweise greift zu kurz. Internationaler Austausch, Kooperation mit namhaften ausländischen Hochschulen und Institutionen haben den Forschungsstandort Schweiz ebenfalls stark gemacht. Forschung sollte nicht nur im eigenen Kämmerlein und Labor geschehen.
Eine gepflegte, sachliche Diskussion auch um sehr emotionale Themen nützen unserer Demokratie mehr als gegenseitige Vorwürfe und Anschwärzungen. Aus der Geschichte kennen wir nur zu gut, wohin dies führen kann. Wir alle wollen gemeinsam für das Wohlergehen unseres Landes einstehen, auch mit unterschiedlichen politischen Haltungen zu politischen Sachfragen.
Kurzporträt Christian Amsler

Heute ist er Präsident des Musik-Collegiums Schaffhausen und der Milton Ray Hartmann Stiftung, Mitglied der Geschäftsleitung der Seniorenuniversität Schaffhausen und moderiert neu auch Talksendungen vor allem zum Thema Bildung bei TELE D.
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Bildnachweis: zvg
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