In Frauenfeld hat sich in den 90-er-Jahren eine politische Gruppierung gebildet, die sich den etablierten Parteien entgegenstellte und namentlich die Interessen junger Menschen vertrat.
Die Gruppe, die sich «Chrampfe & Hirne» (CH) nannte und von den traditionellen Parteien belächelt wurde, eroberte mit dem Slogan «Frauenfeld, wir kommen!» auf Anhieb drei Sitze im 40-köpfigen Parlament der Stadt. Heute verfügt die Gruppierung CH über acht Sitze wie die SVP. Als Fraktion mit den Grünen und der GLP ist die CH in Frauenfeld (TG) mit 14 Sitzen die stärkste Kraft. Zudem sitzt eine Vertreterin der CH in der 5-köpfigen Exekutive.
Das Gedicht entstand zwar viel später als die Gruppierung, jedoch regte die Bezeichnung der Gruppe «CH» Autor Willi Tobler zum Weiterdenken und Weiterschreiben über das «Chrampfe & Hirne» in der Confoederatio Helvetica an. Zum Glück, möchte man beifügen. Denn dadurch entstand der einzigartige und wunderbar gelungene «Neujohrsgruess».

Wanderungen, Schulweg oder das Erinnerungsvermögen an Namen: Willi Toblers Werke schöpfen aus vielfältigen Erfahrungen, die Menschen aller Altersgruppen eigen sind. Dadurch berühren seine Gedichte jahrein und jahraus, wie die Kostprobe der nachstehenden drei Gedichte zeigt.
Wanderige
Wanderer
verzeled denand
bim Wandere
vo andere Wanderige
wo`s mit andere Wanderer
gwandered sind
Vo wunderbare Wanderige
verzeled`s,
vo wanderbare
und dass die säbe andere Wanderer
uf säbere wunderbare Wanderig
vonere andere wunderbare Wanderige
verzelld heyed
wo si mit andere Wanderer
gwandered seied
Vom ene bare Wanderwunder
heyeds gredt
und es sey richtig sichtig gsii
me hey wiit über de Bodesee gseh
und d`Sune hey gschune
So wandered
die Wanderer
mitenand
und verzeled denand
vo andere wunderbare
Wanderige
– und dänn äntlich
chömed`s an Oeschine-See
Willi Tobler
Schuelwäg
Gosch du au nöd gern elei
Uf em Schuelwäg wider hei?
Chomm, gim-mer d Hand
Mer gönd e Stuck wiit mitenand
Dött vorne mue-n-i linggs
Und d`Schtäge-n-uf, s`isch nüme wiit
Und du muesch rechts
Und d`Schtäge-n-ab, nu sibe Tritt
Morn wart i dänn bim Gartetor
Am achti – nei, am Viertel vor
Am Schtrosserand
Dänn göm-mer wider
– mitenand
Willi Tobler
I ha nu no gwüsst
I ha nu no gwüsst
dass me de Nochname
z`erscht sait
aber sin Name
isch mer nüme-n yigfale
I han en gseeh
im Schwizer Fernseh
und han en sofort gchennt
Aber de Name
isch mer nüme-n yigfale
En Toggeburger isch er
säb han i no gwüsst
en Sportler
aber nöd de Schiispringer
mit Schnee hät er nünnt z`tue
Sägmähl
isch mer no dur de Chopf g`gange
und Muni
und Brunnetrog
und Zwylchhose
und dass sin Name
öppis mit eme gääche Bord z`tue hät
Säb han i no gwüsst
Und äbe, das me de Nochname
z`erscht sait
Aber sin Name
isch mer nüme-n yigfale
– ums Verrode nöd
Willi Tobler
Willi Toblers künstlerisches Schaffen gehört nicht allein der Literatur und Poesie, seine Leidenschaft gilt auch dem Zeichnen und Werken. So hat der Frauenfelder Künstler seine persönliche Chronik der Corona-Pandemie in Holz- und Linolschnitte geschnitzt.
Unter dem Titel «Aus der stillen Kammer» entstanden 81 Sujets, gedruckt auf Brotpapier. Die meisten Druckplatten bestehen aus Birnenholz. Der erste Druck stammt vom 29. März 2020, der letzte vom 10. Mai 2021.
SICHTWEISENSCHWEIZ.CH darf zwei der Sujets zu jenen Themen veröffentlichen, die während der Corona-Pandemie Willi Tobler, aber auch die ganze Welt in Atem hielt. Und Willi Tobler gibt mit einem wunderbaren Wortspiel zur Corona-Pandemie eine überlegenswerte Anregung mit auf den Weg: «Es wird SICH WEISEN, dass SICHTWEISEN die SICHT WEITEN.»


Kurzporträt Willi Tobler

Während dieser Zeit schrieb er Geschichten für seine Schulkinder («Tschimi ist unglaublich», «Tschimi in der Schule», «Zebedäus, braver Hund», «Karak und der Zuckerbäcker»), die als Bücher erschienen sind und zu Klassikern der Kinderliteratur wurden.
Zwischen 1992 und 2022 organisiert der Kunstverein Frauenfeld drei Ausstellungen mit Werken von Willi Tobler: «Zu Franz Kafka» (Monotypien und Tonfiguren), «Gefundene – erfundene Landschaften» (Zeichnungen, Malerei, Holzschnitte), «Aus der stillen Kammer – Chronik einer Pandemie» (Holzschnitte); in der Stadtgalerie Balière Frauenfeld veröffentlichte Willi Tobler in der Ausstellung «100 (Des)Informationen auf Zeit(ungspapier)» gemalte Kommentare zum Zeitgeschehen. Willi Tobler lebt in Frauenfeld (TG).
Buch- und Museumsempfehlung

Dem Maler Adolf Dietrich (1877–1957) gelang Aussergewöhnliches: Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen wurde er zu einem angesehenen Künstler. Trotzdem wohnte er zeitlebens im Elternhaus in Berlingen am Untersee. Seine Bilder erzählen vom Alltag im Dorf, vom Kreislauf der Natur, vom Besonderen im Alltäglichen.
Mehr zum Buch von Willi Tobler: «Ich hätte mit keinem König getauscht», Hardcover, 126 Seiten, 61 Abbildungen, 2. Auflage, Verlag saatgut.
Buchempfehlung

Bildnachweis: Titelbild Gruppe «CH» Chrampfe & Hirne Frauenfeld
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