Die Schweiz im Weltgang

Die Schweiz, die Köpfe der Schweizer, ihre Volkswirtschaft sind auf Weltniveau und das seit jeher. Schon 1240 merkten die Eliten der drei Talschaften am neu eröffneten Gotthard, dass sie sich vom Kaiser Friedrich II im fernen Sizilien frei strampeln konnten, wenn sie ihm den Pass offen hielten.

Die Augen auf für die Welt rundum, für ihre und unsere gemeinsamen Anliegen, das blieb seither so.

Heute, man kennt die Aufzählung, hat die Schweiz die höchste Dichte der Technikpatente, eine der besten Spitzenuniversitäten der Technik, eine maximale Exportorientierung zur Weltwirtschaft, ist sie ein Magnet für den Zuzug von Talenten. Sie ist ein Konzentrat an Firmensitzen, NGOs, Sportorganisationen mit ihren hier zusammenlaufenden Netzfunktionen aus aller Welt geworden so wie andere «city states» – etwa Singapur, Arabien und wie es der Libanon vor seiner Selbstzerstörung seit 1974 war. Diese wendigen kleineren Staaten sind das Gegenteil der monotonen Flächenstaaten wie Italien, Deutschland, die im 19. Jahrhundert mit Zehntausenden von Toten zusammenkartätscht wurden und von Frankreich, das seit dem 13. Jahrhundert sich zum immer noch immobilen Totalstaat verfestigt, wie man es gerade in diesen Wochen wieder sieht.


Weltgang statt Alleingang

Die Europäische Union versucht diesen voll harmonisierten und rasenmähergleichen Flächenstaat auf kontinentaler Ebene zu verwirklichen – im Namen von für sie unerreichbarer geopolitischer und spitzentechnischer Weltgeltung. Wer nicht dabei ist, wird ausgegrenzt als Sonderweg, im Alleingang.

Manche Pseudointellektuelle fressen das aus der Hand und verkennen die wirklichen Kräfte von Technik, wirtschaftlicher Dynamik aus selbstgesteuerter individueller Initiative, der man grössten Freiraum gewähren muss.

Ausser einer maximalen nationalen und gesamteuropäischen Überschuldung ist denn aus all den Förderungen mit dem Brecheisen nicht das geworden, was in den Nationen früher blühte. Der schweizerische Föderalismus bietet den freiheitlichen Weg tastender Versuche lokaler Lösungen, der dem Kontinent weitgehend abhanden gekommen ist, inbegriffen im Geiste. Man kann von Deutschen auf ein freies Wort hin gelegentlich hören – darf man denn das?


Nie Bauernstaat, ab 1332 «Passstaat»

Karikaturen über die Schweiz sind selten lustig – denn die meisten Karikaturisten haben ein altbackenes Vorurteil über das Vorurteil, das die Schweizer von sich hätten – Alphütten, Käse, Trachten.

Ein paar wenige Zeichner verzeichnen seit Jahrzehnten den tatsächlichen Weltgang der Schweiz zur Zwergenidylle. Keine Redaktion weist diesen Wust an Minderwertigkeitsgefühl zurück.

Niemand besinnt sich auf die Lehre Leopold Kohrs vom gesellschaftlich-freiheitlichen Superrahmen der Mittel- und Kleinstaaten, ausser heute James Breiding, ein in Zürich lebender Ökonom aus den USA. Ein Seitenblick auf die lange Geschichte dazu: Die Schweiz war nie ein Bauernstaat, sondern mit den drei Waldstätten ein im europäischen Durchgangsverkehr stehender «Passstaat», der von Susten und Transporten lebte und ab 1332 einer der europäischen Städtebünde wie Hanse, Niederlande, Italiens Städte, selbstbestimmt und selbstverwaltet.


Köpfe im Takt des «Weltgeists»

Nun erschöpft sich der Weltgang nicht im – bewiesenen – höheren Wohlstand des Landes, sondern die Schweiz – ihre Stadtstaaten und liberalen Landschaften – waren immer im Takt des «Weltgeistes» seit der Aufklärung.

Unsere Köpfe hatten die gleichen freiheitlichen, liberalen Quellen wie England, die junge USA und diese Offenheit war der Anstoss zum Wohlstand. Die Basler, Zürcher, Genfer, Lausanner Denker verkehrten mit ihresgleichen europaweit.

Noch heute bleibt der Kontinent in angstfreier Liberalität weit zurück, etwa wenn in den sogenannten parlamentarischen Demokratien allen Ernstes die zweitgrösste Partei von der Regierung ausgeschlossen wird – in Frankreich, Deutschland, Holland, Oesterreich, weil sie ideologisch nicht passt.


Eigenrolle selbstbewusst pflegen

Die Schweizer müssen sich die Sichtweise zu eigen machen, die früher England in seiner selbstbewussten Eigenrolle pflegte. Wenn der Ärmelkanal durch den Nebel völlig ausgeblendet war, sagten die Engländer: The Continent is isolated. Denn Europas Nationen haben seit 200 Jahren einen oft seltsamen Sonderweg eingeschlagen, nicht England, nicht die USA, nicht die Schweiz.


Schweiz berechenbar in mehrzentriger Welt

Die etwas neue Lage, welche die neue US-Regierung seit einem halben Jahr in der Welt zu schaffen sucht, wird dem Weltgang der Schweiz entgegenkommen: Eine mehrzentrige Welt, mit neuen Kräftegruppen und etwas zurückgezogener USA, mit grossen und kleinen «neuen» Handelsnationen, die unsere Investitionen, Güter und Dienste um so dankbarer aufnehmen, als eben der amerikanische Markt unberechenbar wird. Ausserdem ist diese künstliche «disruption» durch die US-Regierung von allem und jedem eben künstlich und wird sich an manchen Realitäten brechen und andererseits war vorher viel Heuchelei in «woke», «diversity», Genderpolitik dabei – auch unter dem Druck der USA.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat dem US-Präsidenten offenbar beigebracht, dass die Schweiz seit 1291 funktioniert. Behalten wir dieses Selbstvertrauen, weiter so!



Kurzporträt Beat Kappeler
Beat Kappeler, geboren 1946, aufgewachsen in Herisau, hat Weltwirtschaft und Völkerrecht an der Universität Genf studiert. Er ist als freier Wirtschaftsjournalist, Buchautor und Referent tätig. Von 1977 bis 1992 war Beat Kappeler Sekretär des Gewerkschaftsbunds, betraut mit Liberalisierungsdossiers. Ab 1992 war er Wirtschaftskommentator, zuerst bei der «Weltwoche», 2022-2018 bei der «NZZ am Sonntag». Von der Universität Basel erhielt er 1999 die Ehrendoktorwürde. Mehrfach wurde er ausgezeichnet, so mit dem Zürcher Journalistenpreis, Liberal Award, Röpke Preis, Bonny-Preis für Freiheit sowie Preise für Finanz- und Wirtschaftsjournalismus.



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Bildnachweis: Titelbild Copilot, Porträtbild Stämpfli.

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