Junge EVP: Leona Eckert fragen, was die Schweiz erfolgreich macht. Folge 6

Leona Eckert hat in Schiers (Kanton Graubünden) die Mittelschule mit der Matura abgeschlossen, ist Praktikantin an einer Heilpädagogischen Sonderschule, beginnt im Herbst 2025 einen Bachelor in Politikwissenschaften und Osteuropäischen Kulturen – und sie engagiert sich politisch: Seit 2023 ist sie Co-Präsidentin der Jungen Evangelischen Volkspartei (JEVP) der Schweiz.

In der Serie «Fokus CH-X: Menschen fragen, was die Schweiz erfolgreich macht» stellt SICHTWEISENSCHWEIZ.CH dieselben drei Fragen zu den Erfolgsfaktoren der Schweiz stets anderen Menschen, in Folge 6 Leona Eckert.

Welche Sichtweisen hat Leona Eckert, Co-Präsidentin der Jungen EVP?, zur Schweiz?


Frage 1: Welche Gründe haben in der Vergangenheit zum Erfolg der Schweiz geführt?

Leona Eckert: «Erfolg lässt sich nur mehrdimensional betrachten. Nicht in allen Dimensionen hat die Schweiz Erfolg. Die Schweiz war beispielsweise im europaweiten Vergleich mit der Einführung des Frauenstimmrechts so spät dran, dass sie in der Vergangenheit nicht das beste Beispiel für gleichstellungspolitischen Erfolg war.

Zwei Bereiche, welche meiner Meinung nach bereits in der Vergangenheit Gründe für Erfolg in der Schweiz waren, sind die Demokratie und wissenschaftliche Errungenschaften.

Demokratische Elemente in der Schweiz können wir bereits im Mittelalter erkennen. So lassen sich die ersten Formen der Landsgemeinden bis ins 13. und 14. Jahrhundert zurückführen. Die «Drei Bünde» (Vorläufer des Kantons Graubünden) kannten ein Gemeindereferendum. Die Gerichtsgemeinden der Drei Bünde wirkten also im politischen Prozess des Gesamtstaates mit. Diese und weitere Elemente schufen die Voraussetzungen für eine direktdemokratische Schweiz. Missliebige Entscheide des Parlaments, also der gewählten Volksvertretung können mittels Referenden korrigiert respektive rückgängig gemacht werden. Volksanliegen können in Form von Volksinitiativen in die Politik gebracht werden. Die beiden letzteren direktdemokratischen Elemente existieren dank Föderalismus gleich dreifach: Auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene. Den Grundstein für eine demokratische Schweiz legte die Vielfalt der demokratischen Elemente in den einzelnen Kantonen, auch wenn sie bei ihrer Einführung noch nicht immer vollständig ausgereift waren.

Auch in Bezug auf Forschung, Humankapital oder Optimierung von Abläufen ist die Schweiz stark. Seit 2010 führt die Schweiz den Global Innovation Index an und gilt somit als innovativstes Land der Welt. Diese Entwicklung verdankt die Schweiz wahrscheinlich einem geopolitischen Nachteil: Die Schweiz war und ist kein rohstoffreiches Land. Die Schweiz musste deshalb früh auf Wissensgenerierung und Humankapital setzen.

In der jüngeren Vergangenheit, ich denke da beispielsweise an die Kolonialzeit und die beiden Weltkriege, haben leider auch ausbeuterische Praktiken zum Erfolg der Schweiz geführt. Die Schweiz konnte in beiden Weltkriegen ihr Ansehen als neutraler Staat wahren. Wenn man die Geschichte genau betrachtet, war die Schweiz im Zweiten Weltkrieg aber beispielsweise sehr eng mit der deutschen Wirtschaft verbandelt, so waren unter anderem deutsche Vermögen in der Schweiz stationiert. Die Schweiz hat viele Flüchtlinge an der Grenze zu Deutschland abgewiesen, wusste aber über die Pläne zur Judenvernichtung Bescheid. Damit versuchte sich die Schweiz schon auch vor einem potenziellen Einmarsch Deutschlands zu schützen, dies aber auf Kosten der Schwachen; darin war und ist die Schweiz leider gut.

Auch die Kolonialzeit ist ein gutes Beispiel dafür. Die Schweiz besass keine eigenen Kolonien, profitierte aber massgeblich vom Kolonialismus, da Schweizer Unternehmen und Einzelpersonen selbst Sklaven auf Plantagen im Ausland besassen und vom Handel mit Kolonialwaren profitierten. Banken und Versicherungen arbeiteten eng mit Unternehmen zusammen, die aktiv waren in den kolonialen Märkten und schlugen daraus massiv Profit. Auch in der Schweiz wurden Menschen in sogenannten Völkerschauen ausgestellt und damit dehumanisiert.

Die Schweiz hat es trotz dieser dunklen Seiten geschafft, als passiv verwickeltes Land und nicht als aktive Kraft, ihren Ruf als neutrales oder unbeteiligtes Land zu wahren. Unser Erfolg basierte in der Vergangenheit mitunter also auch auf Leid und Ausbeutung.»


Frage 2: Warum ist die Schweiz heute erfolgreich?

Leona Eckert: «Ich bin überzeugt, dass die Schweiz ihren Erfolg auch heute mit einer unsauberen Mischrechnung generiert. Der saubere und funktionierende Teil dieser Rechnung, der Erfolg hervorruft, sind Menschen, die sich engagieren. Menschen, die sich einsetzen für ihre Nächsten. Menschen, die sich in Kirchen, Vereinen oder NGO‘s engagieren und die Schwächeren der Gesellschaft unterstützen.

Ein weiterer Grund ist unsere nach wie vor einzigartige und gut funktionierende Demokratie. Obwohl die Polarisierung auch bei uns zunimmt, ist der Ton im Wahlkampf niemals so rau wie beispielsweise in Deutschland. Besonders Fan bin ich von Inititativen, wie Discussit, engage, JuPa‘s etc., die Jugendlichen und jungen Erwachsenen politische Meinungsbildung ermöglichen und damit demokratiefördernd wirken.

Die Zusammenarbeit mit anderen Parteien ist unerlässlich in unserem politischen System. Dadurch behalten sich die meisten Kräfte die Offenheit, in den Dialog zu treten trotz inhalticher Differenzen – ein fortbestehender Grund für den Erfolg der Schweiz.

Die dunkle Seite unseres Erfolgs, ist weiterhin eng mit der Wirtschaft verknüpft. Unser wirtschaftlicher Erfolg ist auch heute, zumindest in Teilen, noch auf Ausbeutung aufgebaut. Schweizer Konzerne, deren Tochterfirmen im Ausland Menschenrechte und Umweltstandards verletzen, der Finanzplatz als hoher CO2-Emmiteur, unser häufig auf ausbeuterischen Praktiken basierender Konsum, unsere umweltschädliche Kleidung. Finanzflüsse des Öl- und Gashandels laufen zu einem grossen Teil über die Schweiz. Der Finanzplatz profitiert also überproportional stark an den fossilen Energien und auch das ist leider ein Grund für den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz.

Die heutige Schweiz ist erfolgreich dank Wissenschaft, dank Demokratie und dank engagierter Menschen. Die heutige Schweiz könnte durchaus erfolgreicher sein als mutiges Land, als Land ohne Ausbeutung, als wirtschaftlich integres Land, als gleichstellungspolitisches Land und als humanitäres Land.»


Frage 3: Was braucht es, was stimmt Sie zuversichtlich, dass die Schweiz auch in Zukunft erfolgreich sein wird?

Leona Eckert: «Zum einen muss die Schweiz ihre Demokratie stärken. Demokratie bedeutet Volksherrschaft. Es gibt Menschen, die zum Schweizer Volk gehören, die sich unabhängig eine eigene Meinung bilden können, aber kein Stimmrecht haben. Etwas plakativ gesagt: Eine ganze Demokratie sind wir nicht. Eine erfolgreiche Schweiz muss die demokratischen Rechte ausweiten. Es braucht mindestens ein Stimmrechtsalter 16 und einen stärkeren Einbezug behinderter Menschen in unsere Demokratie. Unerlässlich ist auch eine geeignete Regulierung von KI, sowie eine radikalere Bekämpfung von «FakeNews» und Desinformation, welche unsere Demokratie untergraben.

Ebenfalls ändern müssen sich unsere Integrationsbedingungen. Unser Asylsystem baut im Moment mehr auf Ausgrenzung und Populismus auf als auf Integration. Menschen, die bei uns Schutz suchen, brauchen unseren Schutz, nicht unsere Gleichgültigkeit. Wir brauchen insbesondere auf lokaler Ebene einen besseren persönlichen und kulturellen Austausch. Voneinander zu lernen, miteinander im Dialog zu sein und gemeinsam Probleme anzupacken, das sind grundlegende Elemente, die die Schweiz auf allen Ebenen stärker fördern sollte.

Die Schweiz als innovativstes Land darf mutiger werden. Wir haben hervorragende Voraussetzungen um klimapolitisch, menschenrechtlich, familienpolitisch und gleichstellungspolitisch als Pionierin voranzugehen. Im Moment tun wir das nicht, respektive nicht so nachhaltig, wie wir das könnten. Ich denke, der Schweiz fehlt dazu noch das Selbstvertrauen. Ist das gegeben, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass die Schweiz auch in Zukunft erfolgreich sein wird.»


SICHTWEISENSCHWEIZ.CH dankt Leona Eckert für das Interview.



Kurzporträt Leona Eckert
Die Konzernverantwortungsinitiative, die aufkommende Klimastreik-Bewegung und das Anliegen für das Stimmrechtsalter 16 prägten Leona Eckert (19) massgeblich zu Beginn ihres Engagements bei der Jungen EVP. Ein nicht selbsterarbeiteter Erfolg der Schweiz ist in ihren Augen «die Vielfalt an erfrischenden Gewässern, wo man durchaus auch im Winter den Sprung ins kalte Wasser wagen kann.» Seit zwei Jahren ist sie Co-Präsidentin der Jungen EVP (JEVP). Sie möchten mehr über Leona Eckert erfahren?


Hauptbildnachweis: Leona Eckert im Interview mit dem Schweizer Fernsehen bei einer Veranstaltung für Stimmrechtsalter 16 vor dem Bundeshaus in Bern. Porträtbild: Das Bild zeigt Leona Eckert am «Walk For Freedom» im Kampf gegen Menschenhandel und Ausbeutung.

Aktualisiert 14. April 2025

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