Der Schweizer Franken hat stets eine zentrale Rolle als sichere Anlage gespielt und zieht in Krisenzeiten Investoren aus aller Welt an. Dieses Phänomen wurde ausführlich untersucht, unter anderem von Ranaldo und Söderlind (2010) im «Journal of International Money and Finance». Ihre Forschung zeigt, dass in Zeiten grosser Unsicherheit, wie der globalen Finanzkrise 2008, die Nachfrage nach dem Schweizer Franken erheblich zunimmt. Dies führte zu einer Aufwertung von nahezu 20% gegenüber dem Euro innerhalb von nur sechs Monaten. Diese Dynamik beruht auf der wirtschaftlichen und politischen Stabilität der Schweiz sowie der Stärke ihres Bankensystems.
Kohler und Kugler (2020) bestätigen in einer Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), dass der CHF andere sichere Anlagen wie den Yen oder Gold in Bezug auf Kapitalzuflüsse während wirtschaftlicher Krisen übertrifft.
Die Widerstandsfähigkeit des Schweizer Frankens in Krisenzeiten wird durch quantitative Analysen gestützt. Zwischen 1990 und 2010 zeigten 80% der globalen Phasen hoher Volatilität eine signifikante Zunahme der Kapitalzuflüsse in die Schweizer Währung.
Dieses aussergewöhnliche Statussymbol bringt jedoch Herausforderungen für die Schweizer Wirtschaft mit sich, insbesondere durch die Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exporte.
Die Rolle der Schweizerischen Nationalbank (SNB) bei der Eindämmung der Aufwertung
Um der anhaltenden Aufwertung des Schweizer Frankens entgegenzuwirken, hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine proaktive Politik verfolgt, einschliesslich der Einführung negativer Zinssätze ab 2015.
Negative Zinssätze zielen darauf ab, spekulative Kapitalströme zu entmutigen und die Überbewertung der Währung einzudämmen. Indem sie Einlagen in Schweizer Franken weniger attraktiv machen, erhöhen die negativen Zinssätze die Kosten für Investoren, ihr Kapital in der Schweiz zu halten. Dies verringert die Nachfrage und mindert somit den Aufwertungsdruck. Jordan, Kugler und Lenz (2016) schätzen, dass diese Politik die Schweizer Banken etwa 2 Milliarden Franken pro Jahr gekostet hat, jedoch dazu beigetragen hat, die kurzfristige Aufwertung zu bremsen.
«Die Stärke des Schweizer Frankens übt einen deflationären Druck auf die Schweizer Wirtschaft aus, indem sie die Importpreise senkt und den inländischen Konsum belastet.»
Arthur Jurus, ODDO BHF
Parallel dazu interveniert die SNB massiv am Devisenmarkt. Ihre Fremdwährungsreserven, die mittlerweile 900 Milliarden Franken (130% des BIP) übersteigen, verdeutlichen das Ausmass dieser Bemühungen. Obwohl diese Massnahmen den Wechselkurs stabilisiert haben, gibt es Bedenken hinsichtlich ihrer langfristigen Nachhaltigkeit.
Wettbewerbsfähigkeit unter Druck trotz Handelsbilanzüberschuss
Der Schweizer Franken profitiert von einer strukturell hohen Nachfrage, die durch den chronischen Leistungsbilanzüberschuss der Schweiz angetrieben wird. Dieser Überschuss, der seit 2010 durchschnittlich 10% des jährlichen BIP ausmacht, spiegelt die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exporte und die hohe Sparquote der Haushalte wider. Grisse und Gyntelberg (2012) betonen im «BIS Quarterly Review», dass dieser Überschuss eine konstante Nachfrage nach dem CHF erzeugt und somit zur Aufwertung beiträgt.
Ein starker Franken belastet jedoch direkt exportierende Sektoren wie die Uhren- und Pharmaindustrie. Eine CEPR-Studie von Auer und Fischer (2020) zeigt, dass Schweizer Unternehmen ihre Gewinnmargen im Durchschnitt um 5% senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zwischen 2015 und 2020 stagnierten die Uhrenexporte trotz einer global steigenden Nachfrage, was die Herausforderungen eines starken Frankens verdeutlicht.
Deflationärer Druck bremst Konsum und Investitionen
Die Stärke der helvetischen Währung übt einen deflationären Druck auf die Schweizer Wirtschaft aus, indem sie die Importpreise senkt und den inländischen Konsum belastet. Bachetta und Wincoop (2000) zeigen in der «European Economic Review», dass diese deflationäre Dynamik durch die Erwartungen einer fortgesetzten Aufwertung des Schweizer Frankens verstärkt wird und einen Teufelskreis schafft.
Zwischen 2010 und 2020 blieb die Inflation in der Schweiz nahe bei 0%, weit unter dem Ziel von 2%, das die SNB anstrebt. Ein überbewerteter Franken schreckt zudem ausländische Investitionen in der Schweiz ab, da die Produktionskosten hoch bleiben. Trotzdem bleiben Schweizer Vermögenswerte aufgrund ihrer Stabilität attraktiv, besonders in Krisenzeiten, wie Chen, Rogoff und Rossi (2010) in der «Review of Economics and Statistics» zeigen.
Eine persistente, aber strukturell gerechtfertigte Überbewertung
Die Wirtschaftsliteratur ist sich weitgehend einig, dass der Schweizer Franken regelmässig überbewertet ist. Alberola und Tchakarov (2008) schätzen in den «IMF Staff Papers», dass diese Überbewertung 15 bis 20% im Vergleich zum Gleichgewichtskurs erreicht. Diese Situation ist jedoch durch die konstante Nachfrage nach sicheren Anlagen gerechtfertigt, besonders in Zeiten globaler Unsicherheit.
Ein schwieriges Gleichgewicht für die Schweiz
Die Aufwertung des Schweizer Frankens ist sowohl Segen als auch Fluch. Sie spiegelt das Vertrauen globaler Investoren in die Stabilität der Schweiz wider, stellt die Wirtschaft jedoch vor erhebliche Herausforderungen. Die Schweiz, unterstützt durch ihre starken Institutionen und ihre Widerstandsfähigkeit, ist gut aufgestellt, um diesen Herausforderungen zu begegnen.
Autor Arthur Jurus ist Head of Investment Office, Private Wealth Management, ODDO BHF
Der Beitrag erschien zuerst auf The Onliner, der digitalen News- und Hintergrund-Plattform für die Schweizer Finanz- und Fintech-Industrie.
Hauptbildnachweis: SNB
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